Es muss nicht immer Southside sein: Auch Open Airs mit vierstelliger Besucherzahl bieten ein beachtliches Line-Up. Wir haben zu Beginn der Festivalsaison mit den Machern des Maifeld Derby gesprochen – und haben ein paar Festivaltipps zusammengestellt.

Digital Desk: Michael Bosch (mbo)

Mannheim - Southside, Rock am Ring, Hip Hop Open, Splash: die großen Festivals kennt jeder, und das nicht erst seit gestern. Die Musik möglichst feiertauglich, der Inhalt eher zweitrangig: Hauptsache, man kennt den Text einigermaßen und fällt unter den 10 000, mit denen man vor der Bühne steht, nicht auf. So oder so ähnlich stellt man sich ein Musikfestival vor.

 

Dass es auch anders geht, zeigt eine ganze Reihe von kleineren Open Airs, die trotz mangelnder Masse ein hochwertiges Musikprogramm bieten. Weiter unten stellen wir eine Reihe von ihnen vor.

Die Entwicklung und die Begeisterung, aber auch die Frage nach der Finanzierung solcher Festivals lässt sich beispielhaft am Maifeld Derby erzählen, das vom 30. Mai bis 1. Juni in Mannheim stattfindet – mit Acts wie The National, Johnossi, FM Belfast, St. Vincent und Get Well Soon. Also lauter Kapellen, die in der Regel nicht nach Mannheim kommen und vor allem auf großen Festivals auftreten.

„Bei uns gilt immer auch das Credo: wer zuhört, wird belohnt“, sagt Timo Kumpf, der Organisator des Festivals auf dem Mannheimer Maimarktgelände direkt am Autobahnkreuz. Das Maifeld Derby, das in diesem Jahr zum vierten Mal stattfindet, ist eines der kleineren Festivals in Deutschland. 4 000 Tickets werden für jeden Festivaltag verkauft – und sie sind mittlerweile fast alle weg, berichtet Mitorganisator Matthias Rauch vom Clustermanagement Musikwirtschaft aus Mannheim.

„Eigentlich war das Festival eine Jugendspinnerei“, erzählt Kumpf, der aus dem Odenwald stammt. Während seiner Ausbildung an der Popakademie in Mannheim lernte er die weiteren Gründungsmitglieder des Maifeld Derbys kennen. Es habe gegolten, „eine Lücke zu füllen“, sagt Kumpf auf die Frage, warum er das Maifeld aus der Taufe gehoben hat. Anfangs ging es darum, Indie-Bands nach Mannheim zu holen. Darauf ist das Maifeld aber nicht beschränkt. „Zu sagen: wir machen die Indieschublade auf, da muss die Band drin sein, ist falsch“, betont Kumpf, „es gab und gibt zum Beispiel auch Berührungspunkte mit Hip Hop.“ Insgesamt werden dieses Jahr 60 Künstler auf fünf Bühnen auftreten.

Mannheim als idealer Festival-Standort

Mannheim sei als Standort für ein Musikfestival beinahe ideal, das Festival für die Größe der Stadt „sensationell“, schwärmt Matthias Rauch vom Clustermanagement Musikwirtschaft. Er sieht darin auch ein Beispiel, dass das „Mannheimer Modell“ funktioniert. Unter diesem Namen sind Rauchs Clustermanagement Musikwirtschaft, die Popakademie Baden-Württemberg (Ausbildung), der Musikpark Mannheim als Existenzgründungszentrum und der Beauftragten für Musik- und Popkultur zusammengefasst.

Rauch und die anderen Mitarbeiter sind stark in die Organisation des Festivals eingebunden. Das Clustermanagement Musikwirtschaft fungiert als Anlauf- und Koordinationsstelle und setzt sich für die Region Mannheim als attraktiven und aufstrebenden Musikstandort ein.

Mittlerweile genießt das Festival einen guten Ruf und die Bands bewerben sich von alleine. Am Anfang – vor vier Jahren – war das noch nicht so. Damals half den Organisatoren ihr Netzwerk. „Da wir auch als Booker, Manager und selbst als Musiker tätig sind, kennen wir viele Künstler persönlich. Das war zu Beginn natürlich ein Vorteil“, erzählt Kumpf. Der stand als Bassist von Get Well Soon beim Maifeld Derby schon selbst auf der Bühne und wird auch in diesem Jahr wieder dort auftreten.

kleine Festivals, große Geldsorgen

Eigentlich könnte die Festival-Welt von Timo Kumpf und seinem Team rosarot sein. Leider beschäftigt auch sie die leidige Frage nach der Finanzierung. Bis jetzt schrieb das Maifeld Derby nur rote Zahlen: „Wir haben unser Budget in allen vier Jahren, in denen das Festival stattfand, gesprengt“, sagt Kumpf. Da das Festival für ihn eine „Herzensangelegenheit“ ist, bereut er das Loch im Geldbeutel aber nicht. „Wir sind zwar hoch verschuldet, aber die Entwicklung hat gezeigt, dass es eine richtige Entscheidung war, es so zu machen“, betont der 33-Jährige.

Mehr noch als große Festivals, sind die Kleinen von Sponsoren abhängig. Mit der Akquise von Geldern tat sich die Unternehmung anfangs aber schwer – was Kumpf so nicht erwartet hatte, wie er zugeben muss. „Das ist eine Sache, die ich mir zu Beginn leichter vorgestellt hätte“, sagt der Bassist und Organisator, auch weil er persönlich andere Erfahrungen gemacht hat: „Als ich mit 16 Jahren für ein Konzert Geld eingesammelt habe, bin ich einfach zu Sparkasse, und die haben mir 1 000 Euro in die Hand gedrückt“, berichtet Kumpf, „ich könnte sogar schwören, dass ich dafür nicht einmal eine Unterschrift geleistet habe.“

Erfolgsgeschichte Mini Rock

Das Maifeld Derby ist längst nicht die einzige Erfolgsgeschichte unter den kleineren Festivals. Auch das Mini-Rock-Festival in Horb am Neckar gehört zu den erfolgreichen Geheimtipps im Festivalkalender. Anlässlich des Jugendforums in Horb 2004 von Jugendlichen im Alter von 14 bis 23 Jahren gegründet, wuchs die Veranstaltung in atemberaubender Geschwindigkeit. Von 2005 bis 2010 verfünfachte sich die Besucherzahl von 2 000 auf 10 000 Musikfans.

Dabei hätte das Festival auch schnell wieder ein Ende nehmen können. Die Zahlen waren zunächst ernüchternd. Mit 25 000 Euro standen die Betreiber nach der ersten Auflage in der Kreide. Ein selbstständiger Unternehmensberater bot sich deshalb als Projektpate an und half dem Team in der Anfangszeit. Bereits ab der zweiten Auflage schrieb die Veranstaltung keine roten Zahlen mehr. Bis heute wird das Festival trotz der enorm gestiegenen Größe weiterhin komplett ehrenamtlich organisiert. 2014 haben sich unter anderem Anti-Flag, Zebrahead und Ok Kid angekündigt. Und auch aus der Region Stuttgart sind mit Eau Rouge und Die Nerven zwei sehr herzeigbare Acts mit dabei.

Weg vom Gratisfestival

Wie dünn das Eis ist, auf dem sich die kleine Veranstaltungen bewegen, zeigt hingegen das Beispiel des PFestival in Pforzheim. Das Konzert, bei dem sich unter anderem Gentleman, Eko Fresh, Fools Garden und die Berliner Band Laing angekündigt hatten, musste aufgrund von fehlender Ticketnachfrage abgesagt werden. „Wir haben bis zur letzten Minute gekämpft, aber wir können es leider nicht verantworten, das Festival durchzuziehen. Bei dem enormen finanziellen Aufwand, der im sechsstelligen Bereich liegt, war es nicht mehr zu verantworten, so weiter zu machen“, sagt Hamoun Kamai.

Die Benefizveranstaltung, mit der für mehr Toleranz und ein besseres Miteinander geworben wird, sollte 2014 zum sechsten Mal stattfinden – und erstmalig Eintritt kosten. Die 29 Euro waren offenbar vielen Leuten zu viel. „Wir hatten ein richtig gutes Feedback und tolle Unterstützung von unseren Partnern und Sponsoren. Aber das hat leider nicht ausgereicht, um das Festival zu finanzieren“, sagt Kamai.

Im Raum Pforzheim gibt es immerhin eine Alternative: Das (bereits ausverkaufte) Happiness-Festival. Rund 5000 Besucher werden dort dieses Jahr Acts wie The Hives, Marteria und Alligatoah lauschen. Seit 1991 findet das Festival statt; 2010 kostete der Eintritt erstmals Geld.

Was beim einen Festival klappt, führt beim anderen zum Aus. Auch „Das Fest“ in Karlsruhe, das jährlich etwa 200 000 Besucher anzieht und immer am letzten Wochenende vor den Sommerferien stattfindet, stand im Jahr 2009 kurz vor dem Aus – trotz 150 000 Euro Zuschuss von der Stadtverwaltung. Deshalb kostet ein Ticket seit dem Jahr 2010 fünf Euro; ein kostenloses Fest war nicht mehr finanzierbar. In Karlsruhe gibt sich dafür jedes Jahr ein Who-is-who der deutschen Musikszene die Klinke in die Hand. Dort spielten schon: Seeed, Die Fantastischen Vier, Guano Apes, Fünf Sterne deluxe, Deichkind, Juli, Silbermond, Peter Fox, BAP, Söhne Mannheims, Sportfreunde Stiller, Pur, Wir sind Helden und viele mehr.

Den Großen trotzdem Konkurrenz machen

Dem Maifeld Derby geht es trotz der finanziell angespannten Lage gut. Die Nachfrage nach Tickets ist groß. Auch weil das Veranstaltung ein „Liebhaberfestival“ (Kumpf) ist. Nach wie vor sind die Organisatoren selbst auf allen Ebenen aktiv: „Wir müssen, auch im vierten Jahr, immer noch viel Flyern, sind auf Konzerten unterwegs und machen dort Werbung“, erzählt Timo Kumpf. Das haben die Macher des Maifeld wohl mit allen kleineren Festivals gemein.

Einerseits kann und wird das Maifeld Derby wohl nicht mehr allzu sehr wachsen. „Wir sind ziemlich am Ende unserer Kapazitäten, was die aktuelle Konzeption angeht“, sagt Timo Kumpf. Andererseits: „Nur Bock auf Underground haben wir auch nicht“. Dass das ganz gut klappt und das Maifeld Derby den großen Festivals durchaus Konkurrenz macht, weiß der Veranstalter: „Man muss sich nur mal anschauen, wer dieses Jahr bei uns spielt und wer auf dem Southside. Das ist sicherlich kein Zufall, dass es da kaum Überschneidungen gibt.“