Sieben Monate nach dem Mord an einer 27-jährigen Joggerin in Endingen am Kaiserstuhl, ist sich die Polizei sicher, dass sie den Täter gefasst hat. Am Ende brachte die Lastwagenmaut der Österreicher den Durchbruch. Doch wie geht es in der kleinen Stadt nun weiter?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Endingen - Über dem Kaiserstuhl geht ein Schauer nieder. Die Menschen strömen zur Endinger Stadthalle. Eigentlich sei es ja nur eine Pressekonferenz. Doch wegen der besonderen Betroffenheit in der 9000-Einwohner-Stadt habe man ausnahmsweise auch die Bürgerschaft zugelassen, sagt der Pressesprecher der Polizei, Walter Roth. Dann stellt sich der Leitende Oberstaatsanwalt Dieter Inhofer hinter einen Strauß von Mikrofonen und sagt das, was alle hören wollen – die drei Dutzend Reporter und die mehr als 250 Bürger im Saal: Am Freitag, 14 Uhr, habe man einen 40-jährigen Lastwagenfahrer an seinem Arbeitsplatz bei einer Spedition in der Region festgenommen. Er sei nicht vorbestraft und bestreite alles, doch er stehe im dringenden Verdacht, am 6. November 2016 die 27-jährige Carolin G. auf ihrer Joggingrunde durch die Endinger Weinberge im Gewann Erle getötet zu haben.

 

Ermittler nehmen Fernfahrer ins Visier

Auch der Mord an einer 20-jährigen Austauschstudentin aus Frankreich drei Jahre zuvor im österreichischen Kufstein scheint damit geklärt. Seit Januar waren die Ermittler in Freiburg und Tirol aufgrund des ähnlichen Tatmusters und identischer DNA einig, dass sie denselben Mann suchen. Möglicherweise handle es sich um einen Fernfahrer, hieß es. In Kufstein war die Tatwaffe, die Hubstange eines Lastwagens, aus dem Inn gefischt worden. Zudem lieferten die Österreicher 50 000 Datensätze aus der Lkw-Maut der nahen Inntalautobahn.

In Deutschland dürfen solche Daten nicht an die Polizei weitergegeben werden. Trotzdem erwies sich die Freiburger Soko „Erle“ bei der Auswertung als professionell. Durch Nachfragen bei sämtlichen Herstellern wurde das zur Hubstange passende Lastwagenfabrikat identifiziert. Anschließend wurden die Speditionen angeschrieben, die entsprechende Fabrikate auf der Mautstrecke hatten. Der Kreis zog sich langsam enger. „Es war kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf“, sagte der Chef der Freiburger Kripo, Peter Egetemaier.

Am Ende geht es ganz schnell

Der Schlussspurt hatte es allerdings in sich. Am Mittwoch erhielt der Soko-Chef Richard Kerber (48) von einer Spedition die Namen von mehreren Fahrern übermittelt, die im Januar 2013 in Kufstein gewesen waren. Einer der Namen fiel den Beamten ins Auge, weil er auch auf einer der langen Listen vom Endinger Fall auftauchte. Sein Handy war dort zum Tatzeitpunkt eingewählt gewesen. Zudem war auf ihn ein dunkler Kleinwagen angemeldet, wie er am 6. November in den Endinger Weinbergen aufgefallen war. Keine Hilfe war hingegen ein zwischenzeitlich veröffentlichtes Phantombild. Es zeige zwar gewisse Ähnlichkeiten zum Verdächtigen, „direkt erkennen konnte man ihn darauf aber nicht“, sagte Kerber.

Schon einen Tag später suchten die Beamten den Verdächtigen an seiner Arbeitsstelle auf und baten ihn um eine Speichelprobe. Er habe sie freiwillig gegeben. Von da an ließen ihn die Ermittler nicht mehr aus den Augen. Am nächsten Tag um 13.40 Uhr kam der entscheidende Anruf aus dem Kriminaltechnischen Institut (KTI) in Stuttgart. 20 Minuten später schlossen sich die Handschellen. Der Mann habe sich widerstandslos festnehmen lassen, berichtete Kerber. „Es war die Spur 4334“, sagte der Freiburger Polizeipräsident Bernhard Rotzinger.

Der Polizeipräsident ist stolz

Auch Walter Pupp, der Leiter des Landeskriminalamts Tirol, kann seine Akten schließen. Drei Jahre war der Mord an der 20-jährigen Lucile K. ungeklärt geblieben, auch weil das vorgefundene DNA-Material zu wenig Aussagekraft besaß, um damit internationale Datenbanken zu füttern. Der Mann habe die Frau brutal erschlagen, dann aber nicht viel mehr getan, als sie zu entblößen, sagte Pupp. Am Freitag informierte er die französischen Eltern über die Festnahme. „Sie hatten nicht geglaubt, dass überhaupt noch ermittelt wird.“

Nur die deutsche Tat kommt zur Anklage

Die nun komplett vorliegende mutmaßliche Täter-DNA werde europaweit verglichen, sagte der Leiter der KTI, Andreas Stenger. Damit soll geklärt werden, ob der Mann für weitere Taten verantwortlich ist. Der Sprecher der Innsbrucker Staatsanwaltschaft Hansjörg Mayr kündigte gegenüber der „Kronen-Zeitung“ an, einen europäischen Haftbefehl gegen den 40-Jährigen zu beantragen. Dies ist Voraussetzung für einen weiteren Strafprozess in Österreich. Weil Täter und Opfer Ausländer seien und sich der Tatort nicht in Deutschland befinde, könne die Kufsteiner Tat nicht vor ein deutsches Gericht gebracht werden, sagte der Oberstaatsanwalt Inhofer. Der Verdächtige ist rumänischer Staatsbürger.

Am Ende der Pressekonferenz brandet in der Endinger Stadthalle Applaus auf. „Es fällt uns ein ziemlich großer Stein vom Herzen“, sagte der Bürgermeister Hans-Joachim Schwarz (CDU). „Aber die Wunde darunter bleibt noch eine ganze Weile sichtbar.“ In den sozialen Netzwerken beginnt kurz darauf eine Hexenjagd. Selbst ernannte Privatermittler wollen mehr über den mutmaßlichen Täter erfahren. Ein unbescholtener Bürger – ebenfalls Rumäne und Fernfahrer – erstattet nach entsprechenden Facebook-Attacken Anzeige wegen Verleumdung. Sogar seine Familie in Rumänien erhält Anrufe. Die Polizei sieht sich gezwungen zu reagieren. „Die Ermittlungsbehörden bestätigen noch mal ausdrücklich, dass sich der dringend tatverdächtige Mann in Untersuchungshaft befindet“, heißt es auf Twitter und Facebook.