Statt Maschinen zur Holzbearbeitung stellt das Esslinger Unternehmen heute Anlagen für die Automatisierung von Fabriken her. Der größte Teil des Umsatzes kommt aus dem Ausland – doch fast die Hälfte der Mitarbeiter arbeitet noch in Deutschland.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Esslingen - Die heiligen Hallen stehen auf der Höhe. „Festo ist in Esslingen schon so etwas wie ein kleines Heiligtum“, sagt Sieghard Bender, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall. Natürlich ist ein solcher Satz auch etwas ironisch gemeint. Kritik, so soll dies heißen, wird an dem Unternehmen aus dem Ortsteil Berkheim kaum geübt. In Esslingen weiß praktisch jeder, was man an Festo hat. Und auch Bender sagt, „es läuft ganz gut bei denen.“

 

Tatsächlich fährt der Hersteller von Automatisierungstechnik seit Jahren schon einen stetigen Expansionskurs. „Wir wachsen im Durchschnitt jährlich um acht Prozent,“ berichtet der Vorstandsvorsitzende Eberhard Veit. Für das laufende Jahr rechnet der Festo-Chef mit einem Wachstum zwischen sechs und sieben Prozent. Die Zahl der Beschäftigten wird aber wohl nur noch leicht steigen. Im vergangenen Jahr waren schon 700 neue Mitarbeiter eingestellt worden, davon die Hälfte in Deutschland. „Damit haben wir uns auf das Wachstum in diesem Jahr vorbereitet“, sagt Veit. China bringt inzwischen zehn Prozent des Umsatzes, in den USA erkennt Veit eine „Tendenz zur Reindustrialisierung“, selbst in Ländern wie Spanien oder Griechenland laufen die Geschäfte offenbar wieder etwas besser.

Obwohl der größte Teil des Umsatzes jenseits der Grenzen erwirtschaftet wird, ist Deutschland nicht nur der wichtigste einzelne Markt, sondern auch der noch immer größte Produktionsstandort: „Man kann in Deutschland und in der Region Stuttgart automatisiert produzieren“, meint der Vorstandsvorsitzende zu den immer wieder mal aufkommenden Klagen über die Zustände im Inland. Am Firmensitz in Esslingen, der gleichzeitig auch die Denkfabrik ist, beschäftigt Festo 3800 Mitarbeiter, im saarländischen St. Ingbert, dem größten Produktionsstandort, sind 2500 Beschäftigte am Werk. Doch trotz des Lobs für Deutschland hat auch Festo seine Internationalisierung konsequent vorangetrieben – auf den Märkten, aber auch mit Fabriken. So sind etwa 1800 Beschäftigte in China tätig, andere Standorte gibt es etwa in Brasilien, Russland und den USA. Insgesamt stieg die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen zehn Jahren von 10 600 auf 16 000 Mitarbeiter – noch immer aber arbeitet etwa die Hälfte der Mitarbeiter im Inland. Anders war die Entwicklung beim Umsatz: „Als wir 2003 erstmals mehr als eine Milliarde Euro umgesetzt haben, kam noch die Hälfte aus Deutschland“, erklärt Veit. Zu den knapp 2,3 Milliarden Euro des vergangenen Jahres trug das Inland dagegen nur noch ein Drittel bei.

In Scharnhausen soll eine Vorzeigefrabrik entstehen

„In Ländern wie den USA oder Brasilen investieren wir bei Bedarf“, erklärt Veit, „in Deutschland planen wir den Ausbau über Jahre voraus, um mit dem erwarteten Wachstum Schritt halten zu können“. Dies gilt natürlich auch für die Fabrik, die Ende kommenden Jahres in Scharnhausen auf den Fildern ihre Arbeit aufnehmen soll. Spricht Veit über das neue, 50 Millionen Euro teure Werk, kommt er geradezu ins Schwärmen: „Es wird eine Vorzeigefabrik, alles wird ganz ergonomisch sein, sauber, hell.“ Dabei denkt er an den guten Eindruck, den diese Art der industriellen Moderne bei Kunden machen kann, aber auch an die eigenen Mitarbeiter: „Die meisten Leute verbringen mehr Zeit an ihrem Arbeitsplatz als in ihrem Wohnzimmer“.

So war es wahrscheinlich auch schon bei den Unternehmensgründern. In einem Anbau der Olgastraße 5 in Esslingen machten sich Albert Fezer und Gottlieb Stoll 1925 ans Werk, um Elektrowerkzeuge und Maschinen zur Holzbearbeitung herzustellen. Fezer schied zwar schon 1929 wieder aus, im Firmenname „Festo“ aber ist er bis heute vertreten. Das Geschäft mit den Gerätschaften zur Holzbearbeitung wurde zwar im Jahr 2000 im Rahmen einer Realteilung an die neue Schwestergesellschaft Festool in Wendlingen abgegeben – doch dank der Maschinen zur Holzbearbeitung war schon in den 50er Jahren die Beschäftigung mit Druckluft eingeleitet worden. Auf einer Reise in die USA hatte Gründersohn Kurt Stoll damals gesehen, wie Gegenstände mit Druckluft bewegt wurden: Durch das Öffnen oder Schließen von Ventilen wurden Luftströme in Leitungen gesteuert. Das brachte ihn auf die Idee, Druckluft auch bei seinen Holzbearbeitungsmaschinen einzusetzen – zum Festspannen etwa von Latten, die gesägt werden sollten.

Allerdings: Weder die eigenen Mitarbeiter noch die Kunden verstanden seinerzeit viel von Pneumatik. Für die Brüder Kurt und Wilfried Stoll indes war dies ein durchaus lösbares Problem: Mit Schulungen zu dieser neuen Technik legten sie den Grundstein für die Sparte Festo Didactic, die heute fünf Prozent des Umsatzes erwirtschaftet. „In der technischen Aus- und Weiterbildung sind wir weltweit führend“, kommentiert Eberhard Veit die Entwicklung dieses Geschäftsbereiches.

Bärensichere Ventile für Russland

Noch wichtiger: Zunächst nur als Komponente für Holzbearbeitungsmaschinen vorgesehen, trat die Pneumatik ihren Siegeszug im Unternehmen an – heute ist sie das Kerngeschäft von Festo. Inzwischen steuern die Esslinger natürlich auch zahlreiche ihrer Anlagen elektronisch, doch verdrängt wird die Druckluft nicht. „Der Kunde bekommt von Festo immer das, was er braucht. Die Elektrik ist meist etwas präziser, braucht aber mehr Energie, wenn starke Kräfte notwendig sind“, erklärt Veit, „Anlagen mit Druckluft brauchen beim Einsatz hoher Kräfte weniger Energie und sind robuster,“ erläutert er.

Von den Erfahrungen, die Festo beim Steuern von Industrieanlagen gesammelt hat, könnte das Unternehmen künftig auch auf anderen Feldern profitieren: Bei der Steuerungen von Leitungssystemen, in denen Wasser, Öl oder Gas fließt. „Auch dort heißt es ‚Klappe auf, Klappe zu’“, sagt der Vorstandsvorsitzende. In St. Petersburg sind die Esslinger bereits bei Anlagen für die Trinkwasserversorgung tätig. Und in den Weiten Sibiriens treffen die Schwaben auf eine geradezu tierische Herausforderung – auf Bären. Diese schätzen die Wärme von Öl- und Gasleitungen, setzen sich auf die Pipelines und knabbern auch recht gerne an den Ventilen – ähnlich wie Marder an Autoschläuchen. Gegen das unerwünschte Naschen von Meister Petz hat Veit eine Spezialität im Angebot: „Wir haben bärensichere Ventile entwickelt.“