Die Stuttgarter haben sich an die Betonbarrieren auf der Bolzstraße gewöhnt. Zunehmend schützen auch Städte im Umland ihre Veranstaltungen vor möglichen Anschlägen. Wie werden diese Maßnahmen festgelegt?

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Da parkt ein Kieslaster an der Kreuzung, dahinter steht die Bühne für die Bands: Über diesen Anblick haben sich Besucher des Straßenfestes in Kirchheim am Neckar (Kreis Ludwigsburg) am vorigen Wochenende gewundert. Der erste Gedanke der Festgäste ging dabei schon in die richtige Richtung, wenngleich er auch noch nicht die ganze Erklärung umfasste. Durchaus stand der Kipper dort, um mögliche Terroristen und Verbrecher an einer ungebremsten Amokfahrt auf das Gelände zu hindern. Ist die Angst vor Anschlägen demnach auch im Umland der Landeshauptstadt angekommen? Ja, denn „es wird sehr häufig diskutiert, dass man sich auch in kleineren Städten und Gemeinden schützen muss“, sagt Kristina Fabijancic-Müller, die Sprecherin des Gemeindetags Baden-Württemberg.

 

Nicht immer ist die Terrorabwehr der Hauptgedanke

Kirchheims Bürgermeister argumentiert anders: „Die Terrorabwehr war nicht der Hauptgedanke“, sagt Uwe Seibold. Man habe die Besucher des Straßenfestes zwar sehr wohl vor Gefahren schützen wollen, jedoch habe man dabei vor allem den Verkehr auf der Durchgangsstraße, der Bundesstraße 27, im Blick gehabt. „Erst neulich hat da ein Autofahrer einen Ampelmast umgemäht“, sagt Seibold und nennt eine Reihe weiterer Verkehrsunfälle in der Region und im Land, bei denen Gefahren für die Fußgänger am Rande der Durchgangsstraßen bestanden hätten. Dass der Laster auch jemanden stoppen würde, der „in verbrecherischer Absicht“ in die feiernde Menge hätte rasen wollen, habe man bei der Planung und beim Aufstellen „schon auch ein bisschen im Hinterkopf gehabt“, sagt Seibold.

Das ist längst nicht mehr die Ausnahme. Andere Städte im Umland handeln ähnlich. Die Große Kreisstadt Ditzingen (Kreis Ludwigsburg) habe inzwischen „massive Betonabsperrungen zur Absicherung von Veranstaltungsorten“ angeschafft, teilt deren Sprecher Guido Braun mit. In Kirchheim/Teck (Kreis Esslingen) wurde die Musiknacht ebenfalls mit einem Lastwagen abgesichert, der die Zufahrt blockieren sollte. Auch in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) sollen Zufahrten mit Fahrzeugen und großen Pflanzkübeln versperrt werden. Ludwigsburg stellte Feuerwehrfahrzeuge auf, damit die Rettungskräfte, die ohnehin vor Ort seien, diese im Ernstfall von den Rettungszufahrten entfernen können. „Das war bei uns ebenfalls gewährleistet“, sagt Kirchheims Bürgermeister Uwe Seibold. „Der Besitzer des Kieslasters ist auch bei der Feuerwehr“, erläuterte er.

Betonbarrieren gehören in Stuttgart in diesem Sommer zum Straßenbild

In der Landeshauptstadt kennen die Bürger solche Bilder schon länger. Nach dem Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt beschlossen Stadt und Polizei, auch das Adventstreiben in Stuttgart gegen solche möglichen Gefährdungen abzuschirmen. Sogenannte Betonleitwände stehen seither bei Veranstaltungen an neuralgischen Punkten rund um den Schlossplatz. Die Betonteile etwa auf der Bolzstraße sollen auf Anregung der Polizei den Sommer über bleiben. Beim Heusteigviertelfest dieses Wochenende werde es für die Besucher keine wahrnehmbaren Veränderungen geben. „Wir haben uns aber intensiv beraten, und Veranstalter und Sicherheitskräfte stehen während der Veranstaltung in engem Kontakt“, sagt Hermann Karpf, der Referent des Ordnungsbürgermeisters. Die Sicherheitsvorkehrungen werden für alle Veranstaltungen grundsätzlich zwischen Polizei, Stadtverwaltung und Veranstaltern abgestimmt. Das gilt landesweit. Sollte je ein Veranstalter die Maßnahmen ablehnen, so könne die Stadt die Sicherheitsvorkehrungen als Auflage durchsetzen, sagt Karpf.

Für Stuttgart gelte: „Die Gefährdungslage ist nach wie vor hoch.“ Die Polizei reagiere stets an die Lage angepasst. Wenn sich neue Erkenntnisse ergäben, werde erneut über Sicherheitsvorkehrungen diskutiert – etwa, ob die Polizei wieder wie während des Weihnachtsmarkts oder des Frühlingsfestes Maschinenpistolen tragen solle. Aktuell sei das nicht vorgesehen. „Die Polizei ist ohnehin mit hoher Präsenz in der Innenstadt und für die Gefährdungslage sensibilisiert“, fügt der Polizeisprecher hinzu.