Der Dirigent Mariss Jansons trägt in Salzburg für Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ Farben auf, von denen andere nur träumen können. Und ein Last-Minute-Ersatz kommt ganz groß raus.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Salzburg - Was Shirin Neshat, die Regisseurin der „Aida“, in Salzburg zu wenig hatte, nämlich Erfahrung und Theatersinn, hat Andreas Kriegenburg womöglich zu viel. Genauer: Bühnenroutine. Bis zum Sommer jedenfalls standen bei ihm - dem man oft noch allerlei Wundersames, spielerisch Enthobenes zutrauen darf - heuer bereits ein „Macbeth“ in München zu Buche und in Hamburg die gewaltige Strauss/Hofmannsthal-Oper „Die Frau ohne Schatten“. Da bleibt, selbst bei Vorbereitungen mit dem fast immer gleichen Stab, darunter der Bühnenbildner Harald B. Thor, nicht viel Zeit, um sich wirklich grundlegend Gedanken zu fassen und die Absichten womöglich auch mal zu verwerfen. In Salzburg sieht man das jetzt leider recht deutlich am Resultat, wenn Kriegenburg „Lady Macbeth von Mzensk“ produziert, Dimitri Schostakowitschs Oper, mit der er 1936, zwei Jahre nach der Uraufführung in Leningrad, fast über die Kritikerklinge von Josef Stalin gesprungen wäre.

 

„Chaos statt Musik“ sei das, diktierte der Herrscher der „Prawda“ zu schreiben. Fortan musste Schostakowitsch auf der Hut sein. Nie wieder bewegte er sich auf seinem Terrain so (rotz)frech wie in „Lady Macbeth von Mzensk“, der Geschichte über eine reiche Frau, die aus Langeweile und Überdruss an der Provinz eine Affäre beginnt, was sie in der Folge förmlich zwingt, einen Mord nach dem anderen zu begehen, am Ende sind es vier. Es steckt viel Sarkasmus in der oft gewaltigen, manchmal auch nur gewalttätigen Musik, allerdings auch Scherzi, die sich schwer überlebt haben. Was Stalin an Schostakowitschs Frivolität und Hohn auf gesellschaftliche Zustände aufbrachte, rangiert heute allenfalls noch im Range eines alten, anzüglichen Herrenwitzes, wie man altmodischerweise sagen würde.

Breschnews Beton bröckelt

Fast erwartungsgemäß hat Harald B. Thor einen bedrohlich hohen sowjetischen Wohnblock ungefähr aus der Breschnew-Zeit auf die Bühne des Großen Festspielhauses gewuchtet – und natürlich bröckelt daran der Beton. Was einmal dürftiger Lack war, ist nun ab. Entsprechende soziale Verwahrlosungstendenzen machen sich breit, an deren Zurschaustellung die Regie viel Detailfreude hat, wo sie’s sonst nicht so genau nimmt. Russische Opern, die nicht in der postsozialistischen Phase spielen, gibt es wohl nur noch an der Met und in Russland selber.

Die Lady wohnt inmitten des Blocks (wie immer sie da hingekommen ist) in einem dottergelb durchdesignten Schlafzimmer, das, wie das computerisierte Büro ihres Mannes, von der Seite her immer umständlich und leicht knarzend hereingefahren werden muss in die Bühnenkonstruktion. So ergibt sich, ausgerechnet im Großen Festspielhaus, wo Platz für drei Stücke gleichzeitig wäre, eine Art von Raumenge.