Die Hamburger Combo Fettes Brot hat im Beethovensaal musiziert.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)
Stuttgart - "Als wir das letzte Mal in Stuttgart waren, musste hinterher die Halle abgerissen werden", erzählen sie feixend auf der Bühne – und so war es tatsächlich. Die Hamburger Band Fettes Brot hatte vor ziemlich genau zwei Jahren das Vergnügen, das letzte Konzert im Messekongresszentrum auf dem Killesberg zu geben, ehe dort die Abrissbagger anrollten. Diesmal also musste am Montagabend der Beethovensaal herhalten, er war so ausverkauft, wie es vor zwei Jahren das Messekongresszentrum, vor zwölf Jahren das LKA und vor 14 Jahren die Röhre waren. Was zweierlei lehrt: Tickets für ihre Konzerte verkaufen sich wie geschnitten Brot, und das nicht erst seit gestern.

Das Publikum indes ist nicht durch die Bank mit der Band mitgealtert. Ganz im Gegenteil sind verblüffend viele junge Menschen im Saal. Das Generationenkreuzüber rührt daher, dass das norddeutsche Trio es seit 15 Jahren schafft, in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen neue Gassenhauer aus dem Hut zu zaubern: 1995 war es "Nordisch by Nature", 1996 "Jein", 2001 "Schwule Mädchen", 2005 "Emanuela" und zuletzt 2008 "Bettina, zieh dir bitte etwas an". Es rührt aber gewiss auch daher, dass all diese Sprechgesangssongs das Gegenteil dessen sind, für das der heutige deutsche Hip-Hop steht: von Primitivlingen und Kopisten à la Sido und Bushido grenzen sich die Nordlichter durch in die Tiefe gehenden Sprachwitz, sorgfältig gebackene, alles andere als brotlose Reimkunst (wie im vermutlich besten jemals geschriebenen deutschsprachigen Hip-Hop-Text in "Jein") und nicht zuletzt spürbare Lust am Musizieren ab.

Das ungewöhnlich enthusiasmierte Publikum, das an diesem Abend vermutlich auch ein Blockflötenquartett abgefeiert hätte und den Sauerstoffgehalt im Beethovensaal gegen null treibt, nimmt’s schon vom Opener "Emanuela" an erfreut zur Kenntnis. Um froh zu sein, lehrt uns das, bedarf’s nur wenig: nette Arrangements, vorgebracht von einer achtköpfigen Begleitband, davor drei ansagefreudige Gaudimaxe, ein 25 Songs und zwei Stunden währendes Potpourri aus Stimmungssongs, die weit mehr Pop als Hip-Hop sind.

So ein Konzert würde auch im Bierzelt funktionieren, könnte man mosern. Doch man bedenke den Umkehrschluss – wie viel vom übellaunigen und unambitionierten deutschen Rap würde eben nicht im Bierzelt funktionieren? Oder um’s in den Worten der Band zu sagen: "Wenn wir uns mal hauen, dann ’n Holsten in die Plautze", singen die drei Spaßvögel im königlichen Abschiedssong "Nordisch by Nature". Brot statt Böller, sozusagen. Davon können sich manche eine Scheibe abschneiden.