Dass „Feuchtgebiete“ als Kinofilm so aussehen sollte, wie er es nun tut, stand fest, bevor der 1977 geborene David Wnendt („Kriegerin“) als Regisseur verpflichtet worden ist. Der Produzent Peter Rommel, vor allem für seine Zusammenarbeit mit Andreas Dresen bekannt, wollte etwas Freches und Peppiges, wobei ihm ein konkretes Beispiel vor Augen schwebte, der schottische Junkiefilm „Trainspotting“ von Danny Boyle. Über Stärken und Schwächen dieses Stils, über dessen Überreizungsmöglichkeiten, wurde also viel nachgedacht, lange bevor auch nur das allererste Ergebnis eines Drehtags begutachtet werden konnte.

 

Wnendt und der 1956 in Stuttgart geborene Peter Rommel versuchen keinen Moment zu lang, uns im Mikrokosmos der Zellen und Tierchen, der Viren und Bakterien zu halten. Abrupt fällt der Film zurück in eine zumindest relative Normalität, in eine Girl-meets-Boy-Geschichte, gekoppelt mit dem Generationenkonflikt und den Wehen des Erwachsenwerdens. Die achtzehnjährige Helen verletzt sich bei einer Intimrasur den Anus, muss für eine Weile im Krankenhausbett liegen, macht den Krankenpfleger Robin (Christoph Letkowski) an, provoziert und testet ihn und erzählt ihm und uns derweil von ihrem Leben, ihrer Kindheit, den Schwierigkeiten mit ihren Eltern (Meret Becker und Axel Milberg).

Emanzipation vom Hygienezwang

Missgünstig Gelaunte können diesen Wechsel als Absturz eines Projekts werten, das den ganz großen Dauerschock will und dann doch bloß in der Körpersaftvariante eines Struwweltinchenfilms versackt. Fairer ist ein anderer Blick, der zur Kenntnis nimmt, dass die Anfangsszenen auf angenehme Weise pubertäre Larmoyanz auskontern, dass sie also erzählen, dass Helens Wunsch nach Konflikten und Schock mindestens so sehr von Prozessen in ihrem Körper gesteuert ist wie vom Knistern eines Intellekts, dem die schamhafte Heuchelei ringsum missfällt.

Außerdem wird durch die geballte Würgreizaustestung zu Beginn alles, was später an vermeintlichen Unartigkeiten folgt, Tampontausch etwa oder die Selbstbefriedigung mit einem Avocadokern, relativiert. Solche Momente stehen nicht mehr als Protzgehabe des Films da, der ja noch ganz anders könnte, wie er zuvor bewiesen hat, sondern als Szenen, die der Beschreibung von Helens Wunsch nach Dissens, nach Besonderheit, nach Emanzipation von Schönheits – und Hygienezwang und anderen Prägestempeln dienen.

Die ganze Eingangssequenz von „Feuchtgebiete“ ist zwar eine sinnliche Übung in Zuschauerüberwältigung, die wie das Splatterkino zu Würgen und Speien führen könnte. Andererseits ist die Sequenz ein eigener Kurzfilm, der sich von einem Wertesystem zu einem anderen, neuen Wertesystem hinbewegt, der Hierarchien stürzt und Blickgewohnheiten beiseite fegt, also das tut, was man gemeinhin dem schwierigen Kunstkino als Höchstleistung zuordnet. Jawohl, der Beginn von „Feuchtgebiete“ ist in der Inszenierung des Regisseurs David Wnendt ein Bravourstück. Dieser Beginn scheint jedoch auch fatal zu sein, weil uns in jedem Moment klar wird, dass man in dieser Drastik keinen ganzen Film erzählen kann, dass diese Bilder sich selbst um ihre Wirkung bringen würden. Was aber soll ihnen nun folgen?

Wehen des Erwachsenwerdens

Dass „Feuchtgebiete“ als Kinofilm so aussehen sollte, wie er es nun tut, stand fest, bevor der 1977 geborene David Wnendt („Kriegerin“) als Regisseur verpflichtet worden ist. Der Produzent Peter Rommel, vor allem für seine Zusammenarbeit mit Andreas Dresen bekannt, wollte etwas Freches und Peppiges, wobei ihm ein konkretes Beispiel vor Augen schwebte, der schottische Junkiefilm „Trainspotting“ von Danny Boyle. Über Stärken und Schwächen dieses Stils, über dessen Überreizungsmöglichkeiten, wurde also viel nachgedacht, lange bevor auch nur das allererste Ergebnis eines Drehtags begutachtet werden konnte.

Wnendt und der 1956 in Stuttgart geborene Peter Rommel versuchen keinen Moment zu lang, uns im Mikrokosmos der Zellen und Tierchen, der Viren und Bakterien zu halten. Abrupt fällt der Film zurück in eine zumindest relative Normalität, in eine Girl-meets-Boy-Geschichte, gekoppelt mit dem Generationenkonflikt und den Wehen des Erwachsenwerdens. Die achtzehnjährige Helen verletzt sich bei einer Intimrasur den Anus, muss für eine Weile im Krankenhausbett liegen, macht den Krankenpfleger Robin (Christoph Letkowski) an, provoziert und testet ihn und erzählt ihm und uns derweil von ihrem Leben, ihrer Kindheit, den Schwierigkeiten mit ihren Eltern (Meret Becker und Axel Milberg).

Emanzipation vom Hygienezwang

Missgünstig Gelaunte können diesen Wechsel als Absturz eines Projekts werten, das den ganz großen Dauerschock will und dann doch bloß in der Körpersaftvariante eines Struwweltinchenfilms versackt. Fairer ist ein anderer Blick, der zur Kenntnis nimmt, dass die Anfangsszenen auf angenehme Weise pubertäre Larmoyanz auskontern, dass sie also erzählen, dass Helens Wunsch nach Konflikten und Schock mindestens so sehr von Prozessen in ihrem Körper gesteuert ist wie vom Knistern eines Intellekts, dem die schamhafte Heuchelei ringsum missfällt.

Außerdem wird durch die geballte Würgreizaustestung zu Beginn alles, was später an vermeintlichen Unartigkeiten folgt, Tampontausch etwa oder die Selbstbefriedigung mit einem Avocadokern, relativiert. Solche Momente stehen nicht mehr als Protzgehabe des Films da, der ja noch ganz anders könnte, wie er zuvor bewiesen hat, sondern als Szenen, die der Beschreibung von Helens Wunsch nach Dissens, nach Besonderheit, nach Emanzipation von Schönheits – und Hygienezwang und anderen Prägestempeln dienen.

Ehrlich, frisch, witzig – und manchmal eklig

Einige Kritiker haben David Wnendts „Feuchtgebiete“ in Bausch und Bogen verworfen, die Schnöseligeren haben den Roman gleich mit zum bloßen Wahrnehmungsproblem des Feuilletons erklärt: Die wahren Feuchtgebiete seien die Höschen der Literaturkritiker gewesen. Solche plumpen Abwehrbosheiten können einen auf die richtige Spur bringen: „Feuchtgebiete“ ist endlich mal ein deutscher Film, der sich nicht als matter, plastiksteifer Abklatsch von Hollywood-Lustigkeiten präsentiert, aber trotzdem auf die Kritik pfeift. Er verlässt sich nicht auf Vermittlung und Interpretation, sondern spricht fröhlich dreckig die Schau(der)lust des Publikums an, sieht keinen Widerspruch darin, vom normalen Leben erzählen und doch ein außergewöhnlicher Zirkus sein zu wollen.

„Feuchtgebiete“ ist ein ehrlicher Film, ein witziger, ein frischer – aber manchmal ein ekliger. Weil er, wie Peter Rommel sagt, auch ein Ausdruck von Hass auf die Heidi-Klum-Welt der Model-Shows sein soll.

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