In vielen Feuerwehrmagazinen fehlen Absauganlagen.

Stuttgarter Norden - Im Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr Botnang herrscht dicke Luft: Während die Floriansjünger in einem kleinen Umkleidebereich in der Fahrzeughalle ihre Ausrüstung anlegen, laufen die Dieselmotoren der fünf Einsatzfahrzeuge bereits warm. In der Halle stinkt es nach Abgasen. Es dauert nicht lange, bis die Augen leicht anfangen zu tränen und das Atmen schwerer fällt. Fünf bis sechs Minuten pro Einsatz und das rund 50-mal im Jahr sind die Männer und Frauen der Freiwilligen Feuerwehr in Botnang diesen Schadstoffen ausgesetzt. Das soll sich jetzt ändern. Kommandant Frank Epple fordert eine Absauganlage für das mehr als 30 Jahre alte Magazin der Wehr und erhält dabei von der FDP-Fraktion im Gemeinderat Unterstützung.

 

Die Stadträte der Liberalen fordern die Stadtverwaltung auf, im Vorfeld der anstehenden Haushaltsberatungen konkret durchzurechnen, welche finanziellen Mittel notwendig wären, um die alten Gerätehäuser absaugtechnisch nachzurüsten: „Wir Liberalen meinen, dass der Altbestand der Feuerwehrgerätehäuser in Stuttgart mit einer Absauganlage für Dieselmotor-Emissionen auszurüsten ist.“ Die Freien Demokraten fordern in ihrem Antrag, dass „eine offenkundige Gesundheitsgefährdung der Floriansjünger nicht einfach billigend in Kauf“ genommen werden dürfe und eine Problemlösung herbeigeführt werden sollte.

Mitte vergangenen Jahres ließ die Botnanger Wehr die genauen Daten der Schadstoffbelastung in dem Gerätehaus von Experten erheben. „Die gemessenen Werte liegen außerhalb der zulässigen Grenzwerte“, sagt Frank Epple. Die Messwerte wurden von einer international tätigen Firma geliefert, die auch gleichzeitig die Absaugsysteme für Feuerwachen herstellt. „Ich weiß zwar nicht, ob alle Messpunkte richtig gesetzt wurden und alle Werte zu hundert Prozent korrekt sind. Aber ich brauche grundsätzlich auch kein Gutachten, um zu sehen, dass hier etwas getan werden muss. Wenn bei uns in der Halle die Motoren laufen, kann man die Schadstoffe förmlich riechen, schmecken und sehen“, sagt der Botnanger Kommandant.

In zwei Dritteln der Magazine fehlen die Absauganlagen

Für Neubauten sei geregelt, dass entweder die Umkleiden von den Fahrzeughallen getrennt sind oder eben eine Absauganlage eingebaut wird. „Und ich will nicht einsehen, dass bei Alt- und Neubauten Unterschiede gemacht werden“, betont Epple. Bei fünf Stellplätzen würde eine neue Absauganlage maximal 10 000 Euro kosten, heißt es bei einer Firma mit Sitz in Bad Honnef, die sich auf den Einbau solcher Anlagen spezialisiert hat.

Tatsächlich fehlt in vielen Stuttgarter Feuerwehrhäusern der insgesamt 23 Freiwilligen-Abteilungen eine Absauganlage, um die Dieselmotor-Emissionen abzufangen: „Schätzungsweise verfügen zwei Drittel unserer Häuser über kein solches System“, sagt Klaus Dalferth, der Vorsitzende des Stadtfeuerwehrverbands. Hinzu kommt der teilweise recht alte Fuhrpark: „Bei den Freiwilligen Feuerwehren sind Fahrzeuge im Einsatz, die bis zu 30 Jahre alt sind.“ Da hinterlässt der Ruß sogar an den Wänden nach Jahren dunkle Spuren. Ungewollt werden die Lungen der ausrückenden Feuerwehrmänner durch die eingeatmeten Staubpartikel zum menschlichen Feinstaubfilter. In der so genannten „Technischen Regel für Gefahrstoffe 554“ wird aufgeführt, welche Vorkehrungen zu treffen sind, wenn Abgase von Dieselmotoren in der Luft an Arbeitsplätzen auftreten. Erst vor etwa einem Jahr warnte die Weltgesundheitsorganisation vor den Abgasen von Diesel-Motoren. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass viele Fälle von Lungenkrebs in Verbindung mit den Dämpfen stünden. Das Risiko sei mit dem von Passivrauchen vergleichbar.

Der Vorsitzende des Stadtfeuerwehrverbandes hält das Problem für gravierend, weiß aber auch, dass es bei der städtischen Berufsfeuerwehr noch viele dringlichere bautechnische Probleme in manchen Wachen zu beseitigen gäbe. Apropos bautechnische Probleme: Auch die Feuerwache 4 in Feuerbach hat in ihrer Fahrzeughalle keine so genannte Quellenabsaugung für die Auspuffanlagen der Fahrzeuge. Schwierig gestalte sich der Einbau dieses Systems nämlich dann, wenn der dafür notwendige Platz fehle, betont Christian Schwarze, der Leiter der Abteilung Technik bei der Branddirektion Stuttgart. Etwas über drei Meter ist die Halle in der Feuerwache 4 hoch. „Und den Boden haben wir schon ausgefräst, um noch ein paar Zentimeter zu gewinnen“, so Schwarze. Die neueren und größeren Feuerwehrwagen passen da gerade so hinein. Für ein von der Decke hängendes Absaugsystem fehlt schlicht und einfach der Platz. Allerdings müssen sich die Berufsfeuerwehrleute auch nicht bei laufenden Motoren umkleiden. Die Aufenthalts- und Ankleidebereiche sind komplett von der Gerätehalle getrennt.

Je älter ein Fahrzeug, desto mehr Schadstoffe

„Jeder weiß, dass es nicht gesund ist, aber wir leben damit“, sagt Werner Gühring, Abteilungskommandant der Freiwilligen Feuerwehr Stammheim. Einerseits müssten seine Leute die Abgase einatmen, andererseits würde der Ruß aber auch an der Einsatzkleidung haften. Gühring ist froh, dass das Abgasproblem für ihn und seine Kameraden bald gelöst sein wird: 2015 sollen sie, das sehen zumindest die offiziellen Planungen vor, vom jetzigen Standort an der Korntaler Straße in ein neues Gebäude im Gebiet In den Hochwiesen ziehen. Dort wird es dann eine Absauganlage geben.

Je älter ein Fahrzeug ist, desto mehr Schadstoffe kommen aus dem Auspuff. Da es für Feuerwehrautos in Stuttgart Sondergenehmigungen gibt, brauchen sie keine Umweltplaketten. „Für alle anderen gelten klare Abgasregelungen, nur nicht für uns“, sagt Udo Lorenz, Abteilungskommandant der Freiwilligen Feuerwehr Zazenhausen. Auch er hat Wagen im Fuhrpark, die zwischen 20 und 30 Jahre alt sind. Oftmals, so berichtet Lorenz, würden die Kameraden regelrecht in einer Rauchwolke stehen, wenn sie zu Übungen oder Einsätzen ausrückten. Auch das Anlegen der Einsatzkleidung, das zwischen einer und zwei Minuten dauere, finde im Abgasdunst statt, da der erste, der zum Fahrzeug komme, den Motor starte. Einen Trost gibt es für Lorenz und seine Mannschaft: „Wir stehen ja nicht jeden Tag im Rauch.“

Auch in Weilimdorf ist die Situation unbefriedigend – und das, obwohl das Gebäude 2008 neu errichtet wurde. „Wir haben damals interveniert und gesagt, dass wir eine Absauganlage eingebaut haben wollen“, sagt Kommandant Dietmar Weber. Doch zu jener Zeit sei dies gesetzlich noch nicht verpflichtend gewesen. Mit der Folge, dass die Einsatzkräfte bisweilen „im Nebel stehen“, so Weber. „Das ist nicht mehr zeitgemäß.“ Er habe daher angeordnet, dass jeder freiwillige Helfer auf dem Weg von der Umkleide zum Fahrzeug die Tür hinter sich schließen muss.