Französische und deutsche Behörden haben einen Störfall im Kernkraftwerk Fessenheim simuliert. Die angenommene Windrichtung Südost war nicht realistisch. Normalerweise würde der Wind den Fallout nach Deutschland hineinwehen.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Fessenheim - Es war eine Übung, aber so was könnte passieren: ein Brand im elsässischen Kernkraftwerk Fessenheim, im nicht nuklearen Bereich zwar, aber ein ernsthafter Störfall, der den Einsatz der Rettungskräfte auf der französischen und die Einsatzbereitschaft der Sicherheitsstäbe auf der deutschen Seite des Rheins auslöst. Dieses Szenario ist an diesem Donnerstag grenzüberschreitend vor Ort und in den Behörden mit mehr als 400 Teilnehmern geprobt worden.

 

Beteiligt waren auch das Landesumweltministerium, das Regierungspräsidium, Landratsämter und die Stadt Freiburg. Hier ging es vor allem um die Kommunikationswege. Auf französischer Seite waren die zuständigen Zentralbehörden und die Departements eingeschaltet und die Feuerwehren. Der Atommeiler unmittelbar am französischen Rheinufer und nur 25 Kilometer von der Großstadt Freiburg entfernt, ist seit 1977 in Betrieb ist. Staatspräsident François Hollande hat die Abschaltung für das Jahr 2016 in Aussicht gestellt.

Evakuiert wird nur virtuell

Um 8.23 Uhr ist der virtuelle Übungsbrand in einer Schaltzentrale ausgebrochen, um 9.59 Uhr hat ihn die französische Feuerwehr der Polizeidirektion Lörrach gemeldet. Der zweite Nachrichtenstrang über die Behördenspitzen war schneller, das Regierungspräsidium Freiburg wusste um Punkt neun Uhr von der Kraftwerksleitung, was vor Ort geschieht. Zwei Stunden später spitzt sich die zunächst als harmlos empfundene Lage zu: Um elf Uhr geben die Franzosen die Befürchtung bekannt, dass sich der Reaktor überhitzt, weil nur noch eine Pumpe funktionsfähig sei. Wegen des Südostwindes sei eine Evakuierung in der Fünf-Kilometer-Zone eingeleitet worden.

Normalerweise weht der Wind freilich andersherum, eine radioaktive Wolke würde von Westen weit über den Schwarzwald nach Baden-Württemberg hineinreichen. Doch der Austritt von Radioaktivität ist im Szenario nicht vorgesehen. Gleichwohl werden die nahe gelegenen deutschen Gemeinden Hartheim, Eschbach und Neuenburg alarmiert, die Bevölkerung solle vorsichtshalber in den Häusern bleiben. Die Messfahrzeuge, darunter auch eines aus Emmendingen, gehen in Position. Die fest installierten Frühwarnsysteme zeigen keine Auffälligkeiten.

Sicherheitszonen sind umstritten

Kurz nach 14 Uhr wird bekannt, dass die vorsorglichen Evakuierungen nur in einem Radius von zwei Kilometern vorgesehen sind. Die Lage stabilisiert sich, der Primärkühlkreislauf des AKW funktioniert wieder. Es sieht nach Entspannung aus, die Übung ist nur auf einen Tag angesetzt, und einen Super-GAU mit Kernschmelze und damit einhergehender schwerer Emission von Radioaktivität wie etwa in Tschernobyl oder Fukushima wollten sich die Verantwortlichen wohl nicht antun.

Gleichwohl wirft auch diese Übung mit Happy End die Frage auf, wie groß die notwendigen Sicherheitszonen sein sollen. Der derzeitige Katastrophenschutz gibt einer Evakuierung in der Zwei-Kilometer-Zone um Fessenheim sechs Stunden Zeit, in der nächstgrößeren mit zehn Kilometern 24 Stunden. Das wären dann schon rund 50 000 Menschen, die in Notunterkünfte gebracht werden müssten. Würde man den Empfehlungen der Strahlenschutz-Kommission des Bundes folgen, müsste eigentlich bis 20 Kilometer geräumt werden. Die Kommission hat unlängst Konsequenzen aus Fukushima gezogen und für das AKW Philippsburg (Kreis Karlsruhe) eine viermal größere Schutzzone vorgeschlagen als bisher.

Bei 20 Kilometer Radius wären die südlichen Quartiere der Stadt Freiburg dabei, würde man – wie die südbadischen Kommunen fordern – auf 25 Kilometer gehen, fast die ganze Stadt. Mit Breisach, Bad Krozingen, Müllheim und Neuenburg käme dann fast eine halbe Million Menschen zusammen. Wie diese logistische Herausforderung in einer Bedrohungslage und bei Panik zu meistern wäre, kann niemand sagen. Die Übung hat dazu keine Erkenntnisse gebracht.