Erzürnt, entsetzt, ernüchtert: So haben die Beteiligten auf die Absage des Filderdialogs reagiert. Vor allem der Moderator Ludwig Weitz und Staatsrätin Gisela Erler stehen im Kreuzfeuer der Kritik.

Stuttgart - Der Filderdialog sollte eine neue Form der Bürgerbeteiligung an einer weit reichenden politischen Entscheidung werden. Das Ziel war, die von der Trassenführung der Bahn betroffenen Anwohner bei der Planung von Stuttgart 21 am Flughafen mitreden zu lassen. Nach den quälenden Grundsatzdebatten der vergangenen Wochen und dem missglückten Start herrscht nun in den betroffenen Kommunen und bei den Initiativen Ernüchterung. Kritik wird laut.

 

Der Oberbürgermeister von Leinfelden-Echterdingen, Roland Klenk, ein Befürworter von Stuttgart 21, hält seit Montag die von der Landesregierung angekündigte neue Form der Bürgerbeteiligung durch die Absage des Starttermins für beschädigt. Verantwortlich für die Pleite seien der Moderator Ludwig Weitz und die Landesregierung, die seinem Eindruck nach den Filderdialog „mit halber Kraft, mit halbem Ernst und mit halbem Herz“ vorbereitet hätten. So seien von Hunderttausenden Bürgern nur 250 zufällig ausgewählt – und diese viel zu spät um ihre Teilnahme gebeten worden. „Der Murks bei der Vorbereitung entspricht mindestens dem Murks, der bei der Streckenplanung hier oben gemacht wurde“, sagte OB Klenk. Damit habe man dieser neuen Form der Bürgerbeteiligung einen Bärendienst erwiesen.

Scharfe Töne kommen auch aus der Landeshauptstadt. Die Stuttgarter SPD zeigte sich „entsetzt über die bisherige Vorbereitung des Filderdialogs“ und benennt die Staatsrätin Gisela Erler (Grüne) und den Moderator Weitz explizit als Verantwortliche. „Ich halte es für fahrlässig, wie kurzfristig und undurchsichtig die Auswahl der Teilnehmer gestaltet wurde“, so der SPD-Kreischef Dejan Perc. Viel zu wenig zufällig ausgewählte Bürger gerade eine gute Woche vor Beginn einzuladen, „spricht einer ernst gemeinten Bürgerbeteiligung Hohn“, sagte der Sozialdemokrat am Dienstag. Dessen Zwischenfazit: „Gut gemeint, aber nicht gekonnt.“

SPD, Stadt und die Region wollen am Filderdialog festhalten

Dabei war gewarnt worden. Schon vor einigen Wochen hatte Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster zusammen mit dem Regionalpräsidenten Bopp (beide CDU) in einen Brandbrief an die Landesregierung ihren Unmut zum Ausdruck gebracht. Das Verfahren sei bisher „leider missglückt“, hieß es schon damals.

Erzürnt hatte die Stuttgart-21-Partner von Stadt und Region „die einseitige, nicht abgestimmte“ Auswahl der Teilnehmer am Filderdialog ebenso wie der grundsätzliche Ansatz. „Soweit von Seiten des Landes der Eindruck erweckt wird, es gebe keine Tabus bei den Varianten und die bisher gültigen Prämissen gehörten auf den Prüfstand, können wir dies nicht mittragen“, betonten sie in ihrem Schreiben an die Adresse von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).

Dennoch wollen SPD, Stadt und der Verband Region Stuttgart am Filderdialog festhalten. „Wir haben zwar eine unsichere Situation und wissen nicht, wie es weitergeht“, so Stuttgarts Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD), eine Alternative aber gebe es nicht. Am Freitag, an dem die Bürgerbeteiligung starten sollte, tagt nun erneut die sogenannte Spurgruppe, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Wichtig sei, so Regionalpräsident Bopp, dass es zeitlich keine Verzögerungen gebe. Spätestens am 7. Juli, der ursprünglich als Reservetermin vorgesehen war, müsse das Verfahren beendet sein.

Moderator Ludwig Weitz hat einen schweren Stand

Mitglieder der Spurgruppe kritisieren unterdessen nicht nur die von der Staatsrätin Erler zu spät verschickten Einladungen an die Bürger. Auch am Konzept für den Filderdialog lassen sie kein gutes Haar. So hält etwa die Sprecherin der Initiative Lebenswertes L.-E., Claudia Moosmann, bereits den Titel für irreführend. So wie es aussehe, sei der Filderdialog nicht mehr als eine Bürgerinformation. Sie wolle in der Sitzung am Freitag deshalb eine Debatte über eine Änderung der Spielregeln anstoßen.

Auf den Fildern hat Moderator Ludwig Weitz einen schweren Stand. Neben anderen kritisiert auch die Projektbefürworterin Ilona Koch aus Leinfelden-Echterdingen dessen „Beratungsresistenz“. Sie spricht sich inzwischen offen für eine Ablösung von Weitz und eine Änderung des bisherigen Konzepts aus: „Beim Land muss Einsicht einkehren. Mit diesem Moderator und diesem Konzept ist der Filderdialog zum Scheitern verurteilt.“

Steffen Siegel von der Schutzgemeinschaft Filder ist unzufrieden, dass eine eine ergebnisoffene Diskussion über die verschiedenen Möglichkeiten, den Fernverkehr zum bestehenden S-Bahn-Halt oder zum geplanten Flughafenbahnhof zu bringen, nicht gewollt sei. Siegel plädiert weiter für einen echten Faktencheck, nach dem Vorbild der S-21-Schlichtung, bei dem die diversen Trassen auf ihre Tauglichkeit geprüft würden. „Das ist für die Projektpartner aber ein rotes Tuch.“

Die Obergrenze von 4,526 Milliarden Euro steht

Unterdessen hat der Erste Bürgermeister von Filderstadt, Andreas Koch, gegenüber der Staatsrätin Erler den Anspruch auf eine „angemessene Berücksichtigung“ beim Filderdialog erneuert. Die Kommune würde zwar nicht von der Fernbahntrasse belastet, „für die Akzeptanz der Ergebnisse des Filderdialogs“ hält es der Bürgermeister aber „für unabdingbar, dass diejenigen, die sich mit der Materie bereits seit langem intensiv auseinandergesetzt haben, in den Diskussionsprozess einbezogen werden“.

Am Stuttgarter Hauptbahnhof sind seit zwei Jahren die vorbereitenden Arbeiten für Stuttgart 21 im Gange. Für die Trassenführung auf den Fildern und die Anbindung des Flughafens gibt es aber noch immer keine genehmigte Planung. Im Rahmen des Filderdialogs sollen zuvor – über die umstrittene Antragstrasse des Bauherren Bahn AG hinaus – noch einmal verschiedene Alternativen diskutiert werden. Es gilt aber nach wie vor der für das Gesamtprojekt Stuttgart 21 vereinbarte Rahmen von 4,526 Milliarden Euro.