Nach dem vierten Urteil in der Filderstädter Bußgeldaffäre hat die Justiz jetzt einige der Begünstigten im Visier.

Filderstadt - Wegen des Verbrechens der Rechtsbeugung in vier Fällen hat das Nürtinger Amtsgericht eine weitere ehemalige Angestellte der Filderstädter Bußgeldstelle zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die Haftstrafe über ein Jahr und zwei Monate wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die 34-jährige Mutter zweier Kinder und derzeitige Hausfrau war bis zum 30. Juni 2013 bei der Bußgeldstelle in Filderstadt angestellt. Sie hat die ihr vorgeworfenen Taten gestanden.

 

Den Bruder begünstigt

Laut Anklage hat sie in drei Fällen, zweimal im Jahr 2008 und einmal im Jahr 2009, Bußgeldverfahren gegen ihren Bruder eingestellt. In einem weiteren Fall im Februar 2009 hat sie einem Verwandten 30 Euro wegen Parkens im Halteverbot erspart. In der Verhandlung machte die 34-Jährige lediglich Angaben zu ihrer Person. Zu den Einzelheiten der Fälle machte sie von ihrem Recht auf Schweigen Gebrauch.

„Wir sind uns alle einig, dass diese Taten nicht hätten passieren dürfen, so wie alle anderen dieser Vorgänge auf der Bußgeldstelle“, sagte die Vorsitzende Richterin. Die vier der Angeklagten vorgeworfenen Taten seien die „absolute Unterkante“ gewesen: „Es ging nur um ein paar Euro, wenn der Gesetzgeber bei Rechtsbeugung einen minderschweren Fall vorgesehen hätte, dann wäre dies der Klassiker.“ Zugunsten der Angeklagten spreche das Geständnis und die nervliche Belastung durch die jahrelange Wartezeit bis zur Verhandlung.

Mit dem Urteil blieb das Schöffengericht unter dem Antrag der Vertreterin der Staatsanwaltschaft, die ein Jahr und vier Monate Haft zur Bewährung und außerdem 60 Stunden gemeinnützige Arbeit gefordert hatte. Auch sie wertete das Geständnis zugunsten der Angeklagten.

Damit sind alle Verfahren gegen ehemalige Angestellte der Bußgeldstelle abgeschlossen. Die drei Kolleginnen der 34-Jährigen waren in den vergangenen Monaten im Amtsgericht Nürtingen ebenfalls zu Freiheitsstrafen im Bereich von jeweils knapp über einem Jahr verurteilt worden, auch gegen sie wurden die Strafen zur Bewährung ausgesetzt.

Die Verurteilten angestiftet?

Folgen haben die Gerichtsauftritte der verurteilten Rechtsbeugerinnen jedoch möglicherweise für einen weiteren Personenkreis. „Wegen einiger der Aussagen prüfen wir, ob wir einige Verfahren wieder aufnehmen, die wir bereits eingestellt haben. Diese richten sich aber nicht mehr gegen Filderstädter Verwaltungsmitarbeiter, sondern gegen Personen, welche die jetzt Verurteilten zu ihren Straftaten angestiftet haben“, sagte Jan Holzner, Pressestaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Auch ein Begünstigter wird sich mit ziemlicher Sicherheit vor Gericht verantworten müssen, allerdings nicht oder nicht nur wegen Anstiftung zu einer Straftat, sondern wegen uneidlicher Falschaussage. Er hatte in der Verhandlung als Zeuge ausgesagt, die angeklagte 29-Jährige nicht gekannt zu haben.

Aufgeflogen sind die Taten der vier Ex-Verwaltungsangestellten im Jahr 2012. Damals kündigte das Rechnungsprüfungsamt eine Überprüfung der Bußgeldstelle an. Daraufhin nahm die Abteilungsleiterin die Tätigkeiten ihrer Mitarbeiterinnen unter die Lupe und stieß auf Unregelmäßigkeiten. Schon bald wurde einer Angestellten gekündigt. Im Anschluss daran deckte das Rechnungsprüfungsamt das ganze Ausmaß der Bußgeldaffäre auf. Drei weitere Mitarbeiterinnen verloren ihre Arbeit, weil sie Bußgeldbescheide gegen sich selbst, Verwandte und Freunde zurückgestellt hatten.