Wie sieht es eigentlich unter der Erdoberfläche von Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen aus? Was schlummert in der Tiefe und bleibt den Menschen für gewöhnlich verborgen? Eine Serie forscht nach. Heute: historische Brunnenschächte.

Filderstadt - Filderstadt hat zahlreiche Brunnen, die aus dem Stadtbild nicht wegzudenken sind. Von der „Melodie des Brunnens“ am Plattenhardter Pfarrhaus schwärmte bereits der Pfarrvikar Eduard Mörike im Jahre 1829. Der Pfarrhaus-Brunnen von 1723 ist der älteste erhaltene Brunnen auf den Fildern und war einer der wichtigsten öffentlichen Wasserstellen im Dorf. Der Brunnen ist auch heute noch ein Kleinod, das den Stadtteil prägt.

 

Im Zuge des Anschlusses an die Wasserversorgung und der Modernisierung der ehemaligen Filderdörfer verloren die Brunnen jedoch ihre Bedeutung und wurden größtenteils abgebrochen. Im Zuge der Ortskernsanierung sind später viele Brunnen saniert oder an ihrem einstigen Standort wieder errichtet worden. Was viele Filderstädter nicht wissen: Nach wie vor befinden sich im Untergrund der Ortsteile zahlreiche historische Brunnenschächte.

Brunnen waren Orte der Begegnung

Einer von ihnen befindet sich auf einer Verkehrsinsel an der Ecke Osterstraße/Lange Straße in Sielmingen. Unter dem 15 Kilogramm schweren Kanaldeckel schlummert ein aus Sandsteinen gemauerter, sechs Meter tiefer Brunnenschacht aus dem 19. Jahrhundert, der nach wie vor Grundwasser enthält. „Ursprünglich befand sich hier einmal ein Pumpbrunnen zur Wasserversorgung, mit dem das Wasser nach oben gepumpt wurde“, berichtet Filderstadts Stadtarchivar Nikolaus Back.

Historischer Brunnenschacht Foto: Fatma Tetik

Erstmals erwähnt wird der ehemalige Pumpbrunnen 1830. An dieser Stelle haben sich einst Obersielmingens Dorfbewohner getroffen, um Wasser zu holen. „Brunnen waren einst Orte der Begegnung und der Kommunikation, man tauschte hier die neuesten Nachrichten und Gerüchte aus“, erzählt er.

Zuständig für das Wasserholen waren hauptsächlich Frauen und Kinder, während örtliche Brunnenmeister – zumeist Zimmerleute, Schmiede oder Wagner, für die Unterhaltung und Reinigung der vielen Brunnen verantwortlich waren. Während der Wasserknappheit nach dem Zweiten Weltkrieg mussten viele der Brunnen reaktiviert werden. Der Pumpbrunnen in Obersielmingen wurde schließlich in den 1950er Jahren abgebaut, der Brunnenschacht blieb bestehen. Nikolaus Back berichtet, dass in Filderstadt insgesamt noch sechs dieser alten Brunnenschächte aus dem 18. und 19. Jahrhundert existieren, die gut erhalten sind. Als Historiker sei er interessiert daran, diese historischen Zeugnisse zu restaurieren und sie für die Bürger erlebbar zu machen.

Ungewöhnliche Idee als Attraktion

An eine Umsetzung seiner Idee glaubt Nikolaus Back jedoch nicht. „Das ist ja auch eine Kostenfrage“, sagt er. Außerdem befinden sich die Brunnenschächte entweder mitten auf der Straße oder auf Verkehrsinseln. Schafft man an den Plätzen eine kunstvolle, kulturhistorische Attraktion, stellt das laut Back auch ein Sicherheitsrisiko dar. Vor einiger Zeit habe er einmal eine Führung zu diesem Thema angeboten, die es aber unter den aktuellen Umständen nicht mehr geben wird. „Wenn da einer reinfällt, kann das tödlich sein“, so Back. In Harthausen ist ein historischer Brunnenschacht mehr als acht Meter tief.

Dennoch könne man aus Sicht des Stadtarchivars eine anständige Würdigung der Funde erzielen. Denkbar sei etwa eine trittfeste, ebenerdige Glasscheibe, durch die man den Schacht sehen könne. So müsste man keinen Deckel anheben, die Unfallgefahr würde zudem sinken. Nachts könnten die historischen Schächte zudem unterirdisch illuminiert werden. „Das würde Sielmingen sicherlich aufwerten“, sagt Nikolaus Back. Und das umstrittene Gänsekunstwerk in unmittelbarer Nähe des Brunnenschachtes würde somit wohl zur Freude so mancher Anwohner in den Hintergrund rücken.

Ausführliche und weitergehende Informationen zu den Filderstädter Brunnen findet man in der Schriftenreihe zur Heimat- und Landeskunde, Band 13, „Brunnen, Mühlen und Gewässer“.