Harrison Ford hat es vorgemacht: Der Tischler zimmerte im Studio eine Tür, machte gleich noch beim Vorsprechen mit – und wurde als Han Solo weltberühmt. Handwerk ist sexy. Das soll auch eine Aktion der Film Commission und der Handwerkskammer belegen, die Werkstätten als Filmorte vermarktet.

Stuttgart - Handwerk hat goldenen Boden. Das sagt sich so schön. Viele junge Leute finden aber, der Boden sei ganz schön dreckig, man müsse früh aufstehen, hart anpacken und verdiene nicht die Welt. Der Nachwuchs fehlt, das Handwerk droht zu vergreisen. Was tun? Neben den üblichen Wegen, Lehrlinge zu begeistern, setzt man auf die Kraft der Verführung durch die Filmbranche. Mutige Polizisten, heldenhafte Feuerwehrleute und gewiefte Informatiker sieht man zu Hauf, das tapfere Schneiderlein gibt’s aber nur im Märchen und den draufgängerischen Installateur und den kühnen Schlosser sucht man auf der Leinwand vergebens.

 

Das wird sich mutmaßlich nicht ändern, doch soll der Arbeitsplatz als Kulisse dienen und so neugierig machen. Ein Dutzend Betriebe bewerben sich als Drehorte. „Handwerkszeug“, so nennen die Film Commission der Region und die Handwerkskammer die Aktion. Mit dabei sind die Kunstgießerei Strassacker in Süßen, Steinmetz Kirstein in Winnenden, der Instrumentenbauer Bernd Mossmann in Waiblingen oder die Goldschmiedin Martina Runge aus Ludwigsburg.

Die Region anders in Szene setzen

Die Region anders in Szene zu setzen, das ist das Anliegen der Film Commission. Der Kessel ist ja ganz fotogen, aber dass beim Stuttgarter „Tatort“ die immer gleiche Perspektive von den Hügeln hinab in die Innenstadt gezeigt wird, ermüdet auf Dauer. „Wir versuchen, Orte zu finden und anzubieten, die nicht via Google zu finden sind“, sagt Ulla Matzen. Sie ist Locationguide der Film Commission, also so eine Art Ortefinder. So hat man Filmschaffende einmal auf einen Ausflug entlang des Neckars geladen. Und bringt seit fünf Jahren Postkarten mit Motiven aus der Region heraus. Die gehen an 800 Produktionsfirmen in Deutschland. Unter dem Titel „Rückblenden“ stellte man etwa die Burgruine Kappelberg in Weinstadt vor, die Meuschenmühle in Alfdorf oder den Wetzsteinstollen in Spiegelberg.

Die Film Commission ist Teil der Wirtschaftsförderung der Region. Sie wirbt, sie informiert, sie berät, sie vermittelt. Mit dem Ziel, Filmschaffende anzulocken und deren Arbeit zu erleichtern. Wenn die aber tatsächlich drehen und keine Hilfe mehr benötigen, erfährt man bei der Film Commission nicht mehr davon. Deshalb hat man bei der Film Commission „keine verlässlichen Zahlen“, wie viele Filme in der Region gedreht werden. Und der SWR nutzt ohnehin seine eigenen Netzwerke – wie beim Dreh von „So auf Erden“ mit Franziska Walser und Edgar Selge. Und die „Soko Stuttgart und „Dr. Klein“ sind längst etabliert, übernehmen aber gerne Vorschläge von der Film Commission. So lebt Kommissar Jo Stoll auf einem Hausboot im Stuttgarter Hafen. Und der Märchenfilm „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ wurde im Freilichtmuseum Beuren gedreht. Die Film Commission hatte das Museum auf einer Postkarte der Serie „Weltreise“ vorgestellt.

Der Chef verteilt die Karten auf der Berlinale

So soll es auch beim „Handwerkszeug“ laufen. Der Chef Jens Gutfleisch hat einen Stapel zur Berlinale mitgenommen und das gute Dutzend dort allen in die Hände gedrückt. „Auch Autoren und Regisseuren, weil wir ja auch Geschichten zu den Orten erzählen und so Anregungen geben möchten“, sagt er. Die anderen arbeiten mit Broschüren, „da fallen unsere Postkarten auf“. Zudem sind sie überaus praktisch: man kann sie verschicken. Eine sehr schwäbische Idee also. Seiner Erfahrung nach gelinge es sehr gut, so auf die Vielseitigkeit der Region hinzuweisen: „Das überrascht durchaus auch diejenigen, die sie bereits kennen.“

Vielleicht könnte man mal einen Satz Postkarten schicken an Roland Emmerich, Runyon Canyon, Los Angeles. „Das wäre spannend, wenn der in meiner Werkstatt drehen würde“, sagt der Schuhmachermeister Markus Loidl aus dem Stuttgarter Süden. Womöglich, aber vielleicht ist das doch keine so gute Idee, hinterlässt der gebürtige Schwabe Emmerich doch meistens nichts als Trümmer. Gut, die Drehorte sind versichert und es gibt auch ein Entgelt, das man aushandeln muss. Bei Wohnungen oder Häusern beträgt es meistens eine Monatsmiete. Doch um Geld geht es Loidl gar nicht. Er möchte das „Handwerk hochhalten“, es wäre toll, wenn man „so für uns werben könnte“. Es muss ja nicht gleich als Kulisse für James Bond sein, „ein ,Tatort’ wäre schon gut“.

Bäcker Jochen Baier hat Fernseh-Erfahrung

Darüber würde sich auch der Herrenberger Bäcker Jochen Baier freuen. 2016 hat er neu gebaut und kürzlich Gäste begrüßt, denen seine Postkarte aufgefallen ist. Die HSBC-Bank hat Fotos machen lassen für eine Serie „Modernes Handwerk“. Baier ist die Showbranche nicht fremd. Er war für das ZDF in der Jury der Sendung „Deutschland sucht den besten Bäcker“. Und doubelte Friedrich von Thun in dem Film „Mein süßes Geheimnis“. „Ich musste 40-mal eine Torte im Schaufenster dekorieren“, erinnert sich Baier. Zu sehen war allerdings nur seine Hand. Damit ist er zwar noch nicht ganz so weit wie Harrison Ford. Doch ein Anfang ist gemacht.