Der SWR, Arte und die Filmakademie drehen einen Film. Für eine Massenszene wird ein Dorffest inszeniert. Studenten der Filmakademie Ludwigsburg sind als Regisseur und Producer mittendrin.

Ludwigsburg - Am Kelterplatz in Iptingen im Enzkreis feiert die Feuerwehr. Wimpel wehen, ein rotes Einsatzfahrzeug glänzt neben Fachwerkbauten. In Gruppen sitzen Menschen auf Bänken oder stehen beisammen. Doch irgendetwas ist anders. Die Szenerie wirkt wie eingefroren, und das nicht nur wegen des frostigen Windes. Bratwürste brutzeln, aber keiner isst. Das Bier schäumt, doch niemand stößt an. Es ist eine Feier ohne wirklich Feiernde.

 

Plötzlich läuft ein junger Mann mit brauner Jacke auf die Menge zu. „Liebe Komparsen, aufgehorcht“, ruft er den Festbesuchern per Megafon fröhlich entgegen und fordert „Bewegung und Lebendigkeit“. Die Menge ruft laut: „Yeaaahhh“ – und auf einmal spielen Kinder auf dem Kelterplatz, Menschen lachen, Krüge klirren.

Ganz viele Komparsen gesucht

Im Sommer hatte die Filmakademie Ludwigsburg „große, kleine, junge und alte Komparsen“ gesucht, für einen szenischen Diplomfilm, der in Kooperation mit dem SWR und Arte entsteht. Dafür sollte laut Ausschreibung eine Dorffest auf die Beine gestellt werden – wofür Iptingen an der Grenze zum Kreis Ludwigsburg als Drehort auserkoren wurde. Plötzlich hat dort nun also ein richtiges Fest begonnen, zumindest scheint es so. Das Licht eines gewaltigen Scheinwerfers streift über den Platz.

„Das Bier dürfen die Leute nicht trinken“, sagt Kathrin Rodemeier. „Das sind Requisiten. Und es wäre eine Katastrophe, wenn hier jemand betrunken wäre.“ Die 26-Jährige ist eine der Herrinnen über die inszenierte Feier, die Teil des Films „Mutprobe“ ist. Rodemeier studiert Filmproduktion in Ludwigsburg. Sie ist eine von zwei Producerinnen: Rodemeier und ihre Kollegin Lisa Ritschel sitzen an einem Tag über Kostenkalkulationen und Drehplänen, am nächsten besorgen sie warme Socken für die Schauspieler. Sie sind Organisationsköpfe und Problemlöser in Personalunion.

„Ich habe mich dazu entschlossen, den Film als Producerin zu unterstützen, weil mich die kleinen und alltäglichen Geschichten interessieren, die so viel übers Menschsein erzählen“, sagt Rodemeier. Die Idee zum Film stammt von ihrem Mitstudenten, dem Regisseur Philipp Klinger.

Die Filmcrew umfasst 30 Köpfe

Der junge Mann, der mit Megafon agiert, ist Nicolas Ehret, der zweite Regieassistent. Gut 30 Köpfe ist die Filmcrew stark. Licht- und Tonleute huschen über den Iptinger Kelterplatz, Caterer und die Schauspieler. Hinzu kommen rund 100 Komparsen, also Nebendarsteller, die das Fest bevölkern. Die „Mutprobe“ ist die Abschlussarbeit von Lisa Ritschel, Kameramann Adrian Langenbach und Regisseur Philipp Klinger. Man kennt sich an der Filmakademie, aus Ideen werden gemeinsame Projekte in wechselnden Teams.

Klinger ist 30 Jahre alt, trägt eine schwarze Wollmütze und einen schwarzen Vollbart. Student und Regisseur: Beides passt gleichermaßen gut zu ihm. Während Nicolas Ehret die Komparsen anweist, gibt Klinger dem Hauptdarsteller Kaspar Kaaden letzte Hinweise mit auf den Weg, dabei stehen sie neben einer großen Kamera ein Stück die Straße hoch. Von hier aus soll Kaspar, der im Film Jonas heißt, auf das Feuerwehrfest schlendern. Kaspar ist erst 13 Jahre alt, er wurde aus Dutzenden Jungs gecastet. „Ich hatte zuerst Angst vor der Kamera“, erzählt er, während zwei Visagistinnen seine Kleidung und Haare zurecht zupfen. „Aber jetzt macht das Spaß, es ist alles voll gechillt“, sagt der quirlige Jugendliche, der die Mörike-Realschule in Stuttgart besucht. „Die Arbeit mit Kindern ist herausfordernd“, erzählt Regisseur Klinger. „Toll ist, dass sie einfach spielen, ganz tief im Moment sind.“

Ein Drama über das Erwachsenwerden

Dabei sei „Mutprobe“, was nur ein Arbeitstitel ist, kein Kinderfilm, wie Kathrin Rodemeier erklärt. Der Film sei ein Drama über das Erwachsenwerden und darüber, Verantwortung zu übernehmen. Die Figur Jonas kommt dabei neu in einen Ort und sucht Anschluss an eine Clique von Jungs, die den Ton angeben – und zunehmend die Kontrolle über ihre Streiche verlieren. „Die Szene in Iptingen ist eine Schlüsselszene in der Mitte des Films“, erklärt Rodemeier. „Auch wenn wir mit den Dreharbeiten fast durch sind.“ Es war der 19. Drehtag. Auch in anderen Orten in der Region wurden Szenen gedreht, beispielsweise in Gschwend im Ostalbkreis.

Klappe, die erste ...

Für die Schlüsselszene in Iptingen fällt – ganz klassisch – die Filmklappe vor der Kamera: „Bild 11, Einstellung 25, Aufnahme die erste.“ Kaspar läuft los. Er streift durch die Menge. Die Regieassistenten haben die Komparsen vorher angewiesen, den Jungen dabei zu missachten. Die Figur soll fremd wirken in der neuen Heimat. Kaspar schaut als Jonas mal hierhin, mal dorthin. Die Menschen sehen über seinen Kopf hinweg oder drehen ihm den Rücken zu. Immer dicht hinter ihm: die Kamera und die Filmcrew um Philipp Klinger.

Etwa ein halbes Dutzend Mal dreht die Crew die Szene aus verschiedenen Per-spektiven. Dann ist sie im Kasten. Obwohl es immer wieder regnet und kalt ist, bleiben die Komparsen bis zum Ende entspannt und gut gelaunt. „Dafür sind wir sehr dankbar, alle haben toll mitgezogen“, sagt Rodemeier. Dabei haben viele eine weite Anreise hinter sich. Aus ganz Baden-Württemberg sind Leute gekommen – einfach, weil sie Lust haben, an einem Film mitzuwirken.

Einige Iptinger sind natürlich auch da. Vor allem die freiwillige Feuerwehr ist für den Dreh im Ort wichtig – ohne sie würde die Feuerwehrtaufe nicht authentisch wirken. Michael Kaufmann (26) und Dominik Bentel (18) haben zwar schon so manchen Einsatz hinter sich, ein Filmdreh ist für die beiden jungen Brandbekämpfer aber etwas ganz Neues. „Das ist anstrengend, aber auch spannend“, sagen sie. Es werde klasse sein, den eigenen Heimatort dann im Fernsehen zu sehen.