Gloria Burkert und Christian Rohde sind die neuen Leiter des Studiengangs Produktion an der Filmakademie in Ludwigsburg. Im Interview sprechen sie über die neuen Herausforderungen der Branche, den Serienhype – und über den Weinstein-Skandal.

Ludwigsburg - An der Filmakademie Baden-Württemberg sind Gloria Burkert und Christian Rohde keine unbekannten Gesichter: Seit Jahren schon sind die Produzenten für Film und Fernsehen als Gastdozenten in Ludwigsburg tätig. Seit diesem Wintersemester leiten sie den Studiengang Produktion – und bilden damit junge Menschen in einer Branche aus, die einem starken Wandel unterworfen ist.

 
Frau Burkert, Herr Rohde, seit Beginn des Wintersemesters sind Sie die neuen Leiter des Studiengangs Produktion an der Filmakademie. Ihr Vorgänger Bastian Clevé hat den Studiengang mit aufgebaut und 26 Jahre lang geleitet. Das sind große Fußstapfen, in die Sie treten. Spüren Sie da einen gewissen Druck?
Gloria Burkert Der Druck ist sowieso vorhanden, weil es nicht nur gilt, Clevé nachzufolgen. Unsere Branche verändert sich rasant, die Herausforderungen, aber auch die Möglichkeiten für Produzenten werden größer. Und dem müssen wir im Studium gerecht werden.
Mit den Veränderungen meinen Sie Streamingdienste wie Netflix und Co.?
Burkert Genau. Es sind neue Player auf dem Markt, und über digitale Plattformen lassen sich Filme jeder Art sehen, egal zu welcher Zeit. Das lineare Fernsehen ist dadurch in Bedrängnis gekommen und muss sich überlegen, wie es dieser neuen Herausforderung gerecht wird – und wie es vor allem auch die junge Zielgruppe wieder besser erreicht.
Was hat das für Auswirkungen auf das Berufsbild des Produzenten?
Burkert Grob gesagt gab es immer schon zwei Arten von Produzenten: Jene, die mehr fürs Inhaltliche stehen, und jene, die den Beruf eher kaufmännisch verstehen. Diese beiden Seiten wird es auch weiterhin geben, und jeder Student bei uns muss selbst herausfinden, welche Art von Produzent er werden will. Aber die inhaltlichen Anforderungen sind größer geworden. Produzenten müssen die Inhalte, die sie produzieren wollen, in Einklang mit sich selbst bringen, um ihre Marke zu erkennen und auszubauen. Nur so können sie erfolgreich sein. Programme – und deren Produzenten – müssen eine Haltung haben, die auch sichtbar wird.
Christian Rohde Der Produzent wird immer mehr zum Dreh- und Angelpunkt für Programme. Die Gewerke Regie, Drehbuch und Produktion rücken näher zusammen. Komplexe fiktionale Programme können nicht mehr von nur einem Menschen am Reißbrett entworfen werden, sondern es muss eine starke Vision in Teamarbeit umgesetzt werden. Und solche starke Persönlichkeiten versuchen wir zu finden und auszubilden.
Wie bereiten Sie die Studenten auf diesen Markt im Wandel vor?
Rohde Wir müssen zehn bis zwanzig Jahre im Voraus denken und unseren Studenten klarmachen, dass sie als Medienmacher eine Avantgarde sind. Das ganz große Thema, das wir über unsere Studienstruktur geschrieben haben, ist Individualisierung. In den vier Jahren ihres Studiums sollen die Studenten die Möglichkeit bekommen, ihre Produzenten-Persönlichkeit zu finden. Wir stellen dabei fest, dass unsere Studenten von ihrem eigenen Mediennutzungsverhalten ableiten, was für ein Produzent sie werden wollen. Das versuchen wir zu begleiten.
Wie machen Sie das konkret?
Rohde Wir haben eine neu geschaffene Struktur im Studiengang, die Personality heißt. Da begleitet ein Produzent, der gleichzeitig auch Coach ist, die Studenten bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Die Möglichkeiten haben sich enorm erweitert, und der Bedarf an kreativen Inhalten – vom Kinofilm über Serien bis hin zu Filmen für eine Medienplattform auf Facebook – ist enorm gestiegen.
Serien sind ein gutes Stichwort. Hat der amerikanische Serienhype auch die Produktionsstudenten erfasst?
Burkert Das Spannende ist ja, dass es eben kein amerikanischer, sondern ein internationaler Hype ist, in dem insbesondere lokale Inhalte händeringend gesucht werden. Das Interesse und die Wahrnehmung ist da durchaus divers: Es gibt unter den Studenten große Serienfans, die darin ihre Zukunft sehen, aber mindestens genauso viele, die sich in den klassischeren Formen wie Kinofilmen sehen.
Der Skandal um den übergriffigen Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein hat die Branche erschüttert und teilweise in ein schlechtes Licht gerückt. Diskutieren Sie darüber auch an der Filmakademie?
Burkert Früher habe ich, um Leuten zu erklären, was ein Produzent so macht, immer den berühmten Witz mit der Besetzungscouch gemacht. Der Witz ist natürlich Blödsinn, aber durch Herrn Weinstein kann ich ihn jetzt nicht mehr bringen. Ich habe den Skandal in einer Vorlesung angesprochen. Die Studenten diskutieren das untereinander. Und ich finde auch wichtig, dass man darüber spricht und das auch weiterhin tut.
Ist das ein Hollywood-Problem oder ein Problem des Filmbusiness allgemein?
Burkert Weder noch. Es ist ein gesellschaftliches Problem.
Rohde Möglicherweise haben die Machtverhältnisse in der amerikanischen Filmbranche die Konzentration und Vehemenz der Übergriffe begünstigt. Aber das vermag ich nicht zu sagen, da ich dazu nicht nah genug dran bin.
Kommen wir zum Schluss wieder zurück nach Ludwigsburg. Immer wieder kommt die Kritik auf, Ludwigsburg sei nicht der geeignete Standort für eine Filmakademie, weil die Stadt zu klein ist und die Anbindung an die Studios und die TV-Sender fehlt. Was entgegnen Sie?
Burkert Ich finde enorm, was durch Albrecht Ades Initiative hier geschaffen wurde. Ich persönlich halte die Filmakademie immer noch für die beste Ausbildungsstätte in Sachen Film und Fernsehen in Deutschland. Das Netzwerk an Alumni ist riesig. Es ist interessant zu sehen, wie viele Ludwigsburger in wichtigen Positionen in der Filmbranche gelandet sind.
Rohde Ich habe selbst hier studiert und ich hätte die Stadt Ludwigsburg ohne die Filmakademie womöglich niemals kennengelernt. Die Konzentration, mit der hier studiert werden kann und die Intensität der Zusammenarbeit sind einzigartig.

Produzenten zahlreicher Kino- und Fernsehfilme

Gloria Burkert
Seit gut 25 Jahren ist Gloria Burkert als Produzentin tätig. Sie produzierte mehr als 50 Kino- und Fernsehfilme, darunter auch „Tatort“-Episoden und Teile der Reihe „Polizeiruf 110“. Für das Liebesdrama „Der Felsen“ von Dominik Graf und Caroline Links „Nirgendwo in Afrika“ wurde sie mit dem Produzentenpreis des Bayerischen Filmpreises und für „Nirgendwo in Afrika“ 2003 mit dem Oscar für den besten ausländischen Spielfilm ausgezeichnet. Ihre regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Regisseur Dominik Graf resultierte in sechs gemeinsamen Grimme-Preisen.

Christian Rohde
Der in Mainz geborene Christian Rohde studierte an der Filmakademie in Ludwigsburg Produktion in der Abteilung Szenischer Film. Nach seinem Diplom-Abschluss arbeitete er als Producer und Produzent bei der teamWorx Television & Film GmbH. Er ist bisher für mehr als fünfzig Spielfilme verschiedener Genres verantwortlich, darunter die TV-Filme „Mein Mörder kehrt zurück“ und „Rose“, welcher 2007 mit dem deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde. In den Jahren von 2010 bis 2016 war Christian Rohde Produzent und Geschäftsführer bei der Magic Flight Film GmbH in Berlin. Seit Mai 2016 ist Rohde als Produzent bei der UFA Fiction tätig.