Der deutsche Filmemacher Marcus Vetter hat in der paläs­tinensischen Stadt Dschenin ein altes Kino wieder flottgemacht. Wir haben ihn gesprochen.

Stuttgart - Eine Einrichtung, die wie im Frieden funktioniert, ist im Westjordanland nicht bei allen erwünscht. In seiner Dokumentation „Cinema Jenin“, die morgen in deutsche Kinos kommt, zeigt Marcus Vetter die Konflikte.

 

Herr Vetter, Ihr Film „Cinema Jenin“ endet mit der Eröffnungsfeier des Kinos vor knapp zwei Jahren. Aber der Abschluss wirkt nicht triumphal. Sie führen uns noch einmal die Probleme und Konflikte vor Augen. Gibt es das Kino überhaupt noch?
Ja, das Cinema Jenin gibt es noch. Wobei ich zwischenzeitlich die Hoffnung auf einen Weiterbestand schon fast aufgegeben hatte. Ich bin nach Ende der Dreharbeiten nach Deutschland zurückgekehrt, aber während des Schnitts habe ich das Cinema Jenin noch einmal besucht. Just an diesem Tag ist Juliano Mer-Khamis, der Leiter des Freedom Theatre in Dschenin, auf offener Straße ermordet worden. Das war für uns alle ein großer Schock.

Fühlten Sie sich in Gefahr?
Die Polizei hat sofort den Schutz des Kinos und der Mitarbeiter übernommen. Allerdings hatte das Kino zu diesem Zeitpunkt viele Schulden, und von den jungen Volontären waren auch nur noch zehn vor Ort. Diese Helfer mussten wir nun auch abziehen. Schon weil ihre Eltern, die sofort anriefen, sich solche Sorgen um sie machten. Das war sicher ein Tiefpunkt in meiner Stimmung, und das merkt man der Montage des Filmmaterials sicher an. Meine Einschätzung hat sich aber mittlerweile, in den letzten zwei Monaten vor allem, wieder völlig gewandelt. Ich glaube, das Kino hat das Schlimmste hinter sich, es wird bestehen.

Haben Sie da nicht die Versuchung gespürt, noch einmal umzuschneiden, um den Film positiver zu machen?
Nein, in keiner Minute. Er ist das Dokument einer bestimmten Phase, und er schildert Konflikte, die noch immer da sind. Mir ist es viel lieber, die Leute, die uns unterstützen, wissen, wie die Lage wirklich ist. Ich will erzählen, was für ein kleines Pflänzchen dieses Kino darstellt, aber wie wichtig es trotzdem ist.

Es wird sehr deutlich, dass es in Dschenin Kräfte gibt, die Ihre Vision nicht teilen.
Man muss da unterscheiden. Den über hundert angeblichen Besitzern der von uns renovierten Kinoruine, die sich mittlerweile gemeldet haben, geht es nur ums Geld. Die leben alle im Ausland, denen ist Dschenin völlig egal, denen ist das Kino egal, die wollen abkassieren. Rechtliche Grundlagen sind egal, deren Druckmittel ist die übliche Nachrede. Die andere Gegnergruppe, die ideologischen Hardliner, die keinerlei Normalität im Flüchtlingslager wollen, versuche ich zu verstehen. Das sind die ehemaligen Kämpfer, die nun fürchten, ihr Kampf könne falsch oder vergebens gewesen sein, weil da vielleicht ein Staat kommt, weil friedlichere Mittel viel besser greifen.