Verschiedene Regisseure bringen die Politik in den Wettbewerb des Filmfests: vom Antiwestern bis zur chilenischen Revolution.

Venedig - In den ersten Biennale-Tagen hing die Sonne recht gelassen am Himmel über dem Lido, heizte nicht mehr ganz hoch, lieferte aber noch angenehmes T-Shirt-Wetter. Am Wochenende donnerte dann ein Gewitter über die Insel, setzte die Läden und Cafés an der Gran Viale unter Wasser und ließ sogar zwei der lebensgroßen geflügelten Löwen am Festivalgelände von ihren Podesten herunterfliegen.

Seitdem wirft man misstrauische Blicke nach oben, man hat den Eindruck, jeder Spätsommertag ist jetzt bloß noch Zugabe. Die drei Siedlerfamilien jedoch, die da im Jahr 1845 auf dem Oregon-Trail gen Westen ziehen, würden gerne ein Wölkchen entdecken. Wenn sie himmelwärts blicken, sehen sie aber nur: Sonne. Ohne Wasser halten sie das nicht mehr lange durch.

Kein Held weit und breit


Der Plot von Kelly Reichardts Film "Meek's Cutoff" deutet auf einen Western hin, aber wenn es losgeht, öffnet sich das Bild nicht zu epischer Breite, sondern zieht sich ganz eng zusammen auf das alte 4:3-Format. Ganz von fern sieht man eine kleine Gruppe von Menschen. Keine Musik unterstützt sie, nur Geräusche sind zu hören, etwa das quietschende Rad eines Planwagens. Ab und zu ein bisschen Dialog, oft unverständlich und verweht. Die Frauen in ihren langen Kleidern und Hauben stehen immer weit abseits, wenn die Männer beratschlagen. Aber kein Held weit und breit. Denn der für diese Rolle prädestinierte Trail-Führer Meek, der sich so selbstsicher gibt, hat sich verirrt, und so langsam beginnt eine junge Frau (Michelle Williams) an seiner Autorität zu zweifeln. Als Meek einen Indianer gefangen nimmt und töten will, kommt es zur offenen Konfrontation.

Man könnte "Meek's Cutoff" als eine Art Antiwestern bezeichnen, der der Pioniergeschichte der USA die weibliche Sicht einschreibt. Aber er ist noch mehr als das, die klare, lyrische Schilderung einer weiten, wüstenähnlichen Landschaft beispielsweise, die ganz autonom wirkt und sich nie um die Anstrengungen der Menschen zu kümmern scheint. Natur ist hier nicht der zu überwindende Feind, sondern das Andere. Und auch der Indianer, der nur in seiner Sprache spricht und manchmal Zeichen in Felsen ritzt, gibt Rätsel auf. Für Meek ist er das Böse, für die junge Frau vielleicht der Führer, der sie zum Wasser bringen könnte. Aber all ihre Kommunikationsversuche erzielen nie ein eindeutiges Ergebnis. Das Fremde bleibt in diesem kühl faszinierenden Film: fremd.