Die Fernsehfilmchefin des SWR, Christine Strobl, soll künftig die ARD-Produktionstochter Degeto führen. Ist das eine kluge Wahl?

Stuttgart - Wenn eine Personalentscheidung bloß noch Formsache ist, heißt es gern, die Spatzen pfiffen den Namen von allen Dächern. Manchmal pfeift allerdings nur ein Spatz, und der muss naturgemäß nicht immer richtig liegen. Schon im letzten Jahr hatte die „Süddeutsche Zeitung“ nahegelegt, die Wahl von Verena Kulenkampff zur neuen Frau an der Degeto-Spitze sei so gut wie beschlossen. Die Fernsehdirektorin ließ zwar umgehend dementieren, galt aber fortan als aussichtsreichste Kandidatin für die Nachfolge der im Juni zum Bayerischen Rundfunk zurückkehrenden Bettina Reitz.

 

Im Verlauf der folgenden Wochen kursierten weitere Namen, darunter Kulenkampffs MDR-Pendant Jana Brandt, die ZDF-Hauptredaktionsleiterin Heike Hempel oder auch Carl Bergengruen, der Vorsitzende der NDR-Tochter Studio Hamburg und damit Chef einer der wichtigsten deutschen Produktionsfirmen. Eine hatte niemand auf dem Zettel: Bergengruens Nachfolgerin als Fernsehfilmchefin des SWR, Christine Strobl. Erneut ist es die „Süddeutsche“, die die Personalie in ihrer gestrigen Ausgabe publik machte, und es deutet eine Menge darauf hin, dass die Zeitung diesmal richtig liegt. Wie immer in solchen Fällen möchte die ARD die Entscheidung allerdings gern selbst verkünden; es gibt also noch keine offizielle Bestätigung.

Überraschende Entwicklung

Vermutlich ist diese Entwicklung auch für Christine Strobl überraschend gekommen. Natürlich wird sie, falls die Sache stimmt, ihre Berufung nicht erst aus der Zeitung erfahren haben, aber noch vor einigen Wochen klang sie im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung ganz anders. Dass ihr Name zuvor nicht gehandelt worden war, hängt auch mit ihrem Werdegang zusammen, schließlich hat sie die Leitung der SWR-Abteilung Film und Familienprogramm erst vor gut einem Jahr übernommen; zuvor war die Vierzigjährige vier Jahre lang für das Kinder- und Familienfernsehen des SWR verantwortlich.

Schon die Ernennung zur Fernsehfilmchefin erfolgte scheinbar wie aus heiterem Himmel, weshalb prompt gemutmaßt wurde, Christine Strobls Karrieresprung habe eher politische als professionelle Hintergründe: Ehemann Thomas, mittlerweile Landesvorsitzender der baden-württembergischen CDU, war damals noch Generalsekretär seiner Partei, und ihr Vater ist Finanzminister Wolfgang Schäuble. Der SWR-Intendant Peter Boudgoust versicherte, familiäre Umstände hätten „weder positiv noch negativ eine Rolle gespielt“.

Gute Wahl

Ein Jahr später zweifelt kaum jemand daran, dass Strobl eine gute Wahl war; nach ihrem Parteibuch fragt niemand mehr. Dass diese Diskussion wieder aufflamme, könne zwar nicht ausgeschlossen werden, heißt es nun, aber sie sei genauso sinnfrei wie im Herbst 2010. Trotzdem sind selbst jene Kreise in der ARD verblüfft, die sich gewöhnlich für gut informiert halten. Kein Wunder: die ARD-Tochter Degeto ist einer der wichtigsten Auftraggeber der deutschen Produktionslandschaft. Allein 250 Millionen Euro des insgesamt 400 Millionen Euro umfassenden Gesamtetats fließen in die Produktion von Fernsehfilmen und Co-Produktionen. Viele Unternehmen hatten gehofft, die ARD würde eine Persönlichkeit mit Produktionserfahrung an die Degeto-Spitze berufen. Im Idealfall, hatte sich Deutschland wichtigster TV-Produzent, der Teamworx-Chef Nico Hofmann, gewünscht, sei das jemand, „der auch die Qualitäten von Vorgängerin Bettina Reitz mitbringt, also jemand mit großer Programmerfahrung, der inhaltlich wie auch hinsichtlich der Einschaltquoten große Erfolge vorzuweisen hat“.

Dazu hatte Christine Strobl gar keine Chance: Ein Jahr ist viel zu kurz, um die Früchte der eigenen Arbeit ernten zu können. Mit der Teamworx-Produktion „Rommel“ ist sie immerhin für ein Werk verantwortlich, das schon lange vor der Ausstrahlung Schlagzeilen gemacht hat. Beim Versuch, die Wogen zu glätten, hat sie diplomatisches Geschick bewiesen; eine Fähigkeit, die sie als Degeto-Chefin ohne Frage brauchen wird – schließlich herrscht in den ARD-Runden selten Einmütigkeit.