Bei einem Bombenattentat auf dem Münchner Oktoberfest gab es 1980 13 Tote – und bald einen Einzeltäter als Schuldigen. Im Politthriller „Der blinde Fleck“ recherchiert Benno Fürmann als Journalist viel komplexeren Hintergründen dieses Anschlags nach.

Stuttgart - Am 26. September 1980 explodiert beim Münchner Oktoberfest eine Bombe, dreizehn Menschen sterben, mehr als zweihundert werden zum Teil schwer verletzt. Die Tat des rechtsextremen Studenten Gundolf Köhler ist der schwerste Terroranschlag der deutschen Nachkriegsgeschichte, und doch hat sie sich in der kollektiven Erinnerung nie so recht festgesetzt und wird immer noch überlagert und verdrängt durch die Umtriebe der RAF.

 

Das hat auch damit zu tun, dass der beim Anschlag selber getötete Köhler von den Behörden früh als Einzeltäter präsentiert wurde, eine These, die etwa der Journalist Ulrich Chaussy längst angezweifelt hat. Zusammen mit dem Regisseur Daniel Harrich hat Chaussy nun auch das Drehbuch zu „Der blinde Fleck“ geschrieben, in das er seine brisanten Rechercheergebnisse einfließen ließ.

Wehrsportgruppe und Heldenblick

Es beginnt mit einer Collage von Bildern, in denen der politisch-historische Hintergrund aufscheint, die Kanzlerkandidatur von Franz Josef Strauß, der gleich von linkem Terror spricht, oder die Verharmlosung der Wehrsportgruppe Hoffmann, der Gundolf Köhler nahestand. Dennoch ist „Der blinde Fleck“ keine Dokumentation, sondern ein Politthriller, in welchem der von Benno Fürmann gespielte Chaussy selber zur Genrefigur wird, zum aufrechten Helden im Kampf gegen eine groß angelegte Verschwörung. Bis in Nebenrollen hinein ist die Geschichte prominent besetzt, zum Beispiel mit „Tatort“-Kommissaren: Jörg Hartmann spielt den hartnäckigen Opferanwalt, Udo Wachtveitl einen schmierigen Boulevardreporter, Miroslav Nemec den Generalbundesanwalt Rebmann, der den Fall 1983 als aufgeklärt zu den Akten legt.

Und wenn sich hier ein anonymer Informant (August Zirner) des Nachts an verschwiegenen Orten mit Chaussy trifft, wirkt das wie ein Zitat aus Alan J. Pakulas Watergate-Film „Die Unbestechlichen“. Aber dabei wird auch der große Abstand zum Vorbild aus Hollywood sichtbar. In „Der blinde Fleck“ ist das Thrillergenre dem von Chaussy gesammelten Material allzu mühsam übergestülpt, der Stoff dringt nicht wirklich ein in die Story, die Dialoge bleiben steif und die Charaktere blass – und gerade Benno Fürmann wirkt letztlich eindimensional: Er wird reduziert auf seinen blitzenden Heldenblick.

Gegen die Einzeltäter-These

Dennoch könnte dieser Film, der seine Geschichte in die Gegenwart führt und auf die NSU verweist, über das Kino hinauszeigen. Er könnte die Diskussion über den Rechtsterrorismus und die vielen Ungereimtheiten bei der „Aufklärung“ des Attentats, bei dem schon so oft die Wiederaufnahme der Ermittlungen gefordert wurde, weiterführen. Dass Gundolf Köhler kein Einzeltäter war, dafür hat ja nicht nur Ulrich Chaussy Indizien vorgelegt. Der Historiker Daniele Ganser hat den Fall 2004 mit der Geheimorganisation Gladio in Verbindung gebracht, Tobias von Heymann hat 2008 aus Stasiakten neue Erkenntnisse gewonnen. Und wer über diese Geschichte trotzdem lieber etwas in Krimiform erfahren will, der kann Wolfgang Schorlaus 2009 erschienenen Roman „Das München-Komplott“ lesen, in dem der Autor seinen Detektiv Dengler ermitteln lässt.

Der blinde Fleck. Deutschland 2013. Regie: Daniel Harrich. Mit Benno Fürmann, Heiner Lauterbach, Nicolette Krebitz. 99 Minuten. Ab 12 Jahren.