Eine kleine Fischergemeinde braucht dringend einen Arzt. Weil keiner in die raue Provinz will, müssen die Dörfler so tun, als sei hier alles ziemlich großstädtisch. Diesen Film gab es zwar schon einmal, das aktuelle kanadische Remake von Don McKellar ist aber sehr gelungen.

Wenn die eigene kleine Welt den Bach runtergeht, ist das eigentlich kein Stoff für komische Geschichten. Doch im Film „Die große Versuchung – Lügen, bis der Arzt kommt“ bietet ein ganzes Dorf dem drohenden Untergang mit so verqueren Ideen die Stirn, dass diese Regel außer Kraft gesetzt wird.

 

Die Tage des kanadischen Küstenörtchens mit dem schönen Namen Tickle Head scheinen gezählt. Seine Bewohner stehen vor dem Sozialamt Schlange, vom Stolz der glorreichen Zeiten als Fischereihafen ist kaum noch etwas zu sehen. Der einzige Lichtblick: ein Ölkonzern will sich in der Nähe ansiedeln und verspricht Jobs für alle – aber nur, wenn Tickle Head einen Arzt vorweisen kann.

Verschrobene Kleinstädter werden mondän

Um Paul Lewis (Taylor Kitsch), den bekennenden Großstädter und einzigen Kandidaten für den Job, zum Bleiben zu bewegen, greift die Gemeinde rund um den Ortsvorsteher Murray French (Brendan Gleeson) zu radikalen Maßnahmen. Auch wenn das bedeutet, dass sich eingefleischte Hockeyfans das Cricketspielen beibringen müssen. Das entstehende Chaos ist herrlich komisch und hält sich doch von gängigen Klischees fern.

In seinem Remake der gleichnamigen frankokanadischen Komödie inszeniert der bislang vor allem als Schauspieler tätige Regisseur Don McKellar die Spiele der Insulaner, so lustig sie sein mögen, als moralisch fragwürdig. Wo verschrobene Kleinstädter versuchen, sich an einen mondänen Lebensstil anzupassen, den sie beim besten Willen nicht verstehen, liegen komische Missverständnisse in der Luft. Wo jedoch Telefonanschlüsse angezapft und Identitäten gefälscht werden, wird eine Grenze überschritten.

Ein Hafen abseits der Realität

Während dem ahnungslosen Neuling aus der Großstadt das Blaue vom Himmel vorgelogen wird, um ihm vorzugaukeln, Tickle Head sei die Erfüllung all seiner tief vergrabenen Sehnsüchte, dämmert es vielen erst am Ende, dass das mit dem Zweck, der die Mittel heiligt, vielleicht doch keine so gute Idee war.

So schwankt „Die große Versuchung“ immer wieder zwischen schrulliger Komödie und Drama. Im Grunde ist der Stoff tragisch. Die winzige Hafenstadt wirkt so abseits der Realität, dass man sich zwangsläufig fragt, warum sie noch nicht von irgendeinem Finanzhai aufgekauft und zum rentablen Naherholungsgebiet umgemodelt wurde. Die Häuser sind Baracken, am Strand liegt Müll. Das einzig Aufrechte in Tickle Head scheint die Erinnerung an die vergangenen Tage.

Gerade deshalb ist der Kampf der Bewohner um ihr Stückchen Leben auf eine versteckte Art und Weise berührend. Doch wo man auf Geigenmusik und Untergangsstimmung setzen könnte, vertraut Don McKellar auf großartigen Humor – und gewinnt gerade dadurch seine ganz eigene Form der Authentizität.

Die große Versuchung. Neufundland, Kanada 2013. Regie: Don McKellar. Mit Brendan Gleeson, Gordon Pinsent, Taylor Kitsch. 113 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.