Vordergründig wird die Suche nach einem Serienkiller geschildert. Aber eigentlich erzählt der Regisseur Diao Yinan vom Burnout Chinas, von der schäbigen Wirklichkeit hinter der Fassade eines Boomlandes.

Stuttgart - Eine Winternacht, ein trostloses Stück Straße in der Kuhle einer Industrielandschaft, ein regloser Mann im Schnee neben einem Motorrad. Ein anderer Mann kommt auf einem Mofa angeknattert, die Kamera zeigt uns das Stillleben aus subjektiver Sicht. Sie fährt vorbei, wendet mit dem Mofafahrer, der jetzt doch gewiss ein Helfer werden muss, oder? Aber der Mann bockt nur sein kleines Knatterle auf, spricht kurz den nun als Besoffenen Erkennbaren an, schwingt sich dann auf dessen großes Motorrad und fährt davon. In Diao Yinans chinesischem Krimi „Feuerwerk am hellichten Tag“ wird auch in kleinen Dingen kein Pardon gegeben.

 

Der Kerl, der da betrunken auf der Straße lag, ist ein ehemaliger Polizist. Mit der Ermittlung, die ihn seinen Job gekostet hat, hat Yinan seine Mischung aus schwarzem Humor und finsterem Ernst etabliert. Man ist oft hin und her gerissen, ob man lachen oder den Kopf wegdrehen soll. Die Menschen gehen hier mit einer Ruppigkeit miteinander um, die karikaturenhaft wirken könnte, würden die Schauspieler nicht so glaubhaft traumatisierte Figuren vor uns hinstellen, Typen, denen man ansieht, welches Unglück diese Ruppigkeit erzeugt.

Absage an die Boomgesellschaft

Der Ex-Polizist Zhang (Liao Fan) arbeitet mittlerweile im Werkschutz, mischt sich aber in die Ermittlungen eines früheren Kollegen, als es zu Morden kommt, die jenen ähneln, die er einst untersuchen musste. Dabei sind die Einzelteile zerstückelter Leichen in weitem Umkreis in Industrieanlagen aufgetaucht.

Graue Innenräume an Arbeitsplätzen, schäbiges Rotlicht in Kneipen, ein Smoglicht draußen, das wie die Absage an den kollektiven Optimismus einer Boomgesellschaft wirkt: Diao Yinan erzählt einen Krimi. Aber mit viel Gespür für die Aussagekraft des Nebensächlichen rechnet er auch mit dem Chinabild der Propagandisten ab. „Feuerwerk am hellichten Tag“ konstatiert einen gesellschaftlichen Burnout.

Von der Zensur zur Nichtbeachtung

Früher wäre solch ein Film in China der Zensur zum Opfer gefallen und im Westen als mutiges Aufbäumen gegen die Mächtigen gefeiert worden. Nun ist „Feuerwerk am hellichten Tage“ in China ein Kinoerfolg, hat auch auf der Berlinale den Goldenen Bären gewonnen – schleicht aber ganz kleinlaut auf deutsche Leinwände. Viel Interesse für das Meisterwerk erwartet niemand mehr. Vielleicht könnte Diao Yinan („The Uniform) mal so einen Film über unser Land drehen.

Feuerwerk am hellichten Tag. China 2014. Regie: Diao Yinan. Mit Liao Fan, Kwai Lunmei. 109 Minuten. Ab 16 Jahren.