Ein Enthemmungstag per Gesetz: in der nahen Zukunft von „The Purge: Anarchy“ dürfen Amerikaner einmal im Jahr voll aus sich heraus gehen und sogar morden. Wie der Vorgänger „The Purge“ mixt auch „The Purge: Anarchy“ gekonnt Sozialkritik und Action.

Einfach mal auf den Putz hauen, die angestaute Aggression rauslassen, völlig straffrei – in einer nahen Zukunft ermöglicht das die Regierung der Neuen Gründungsväter den Bürgern der USA. Einmal pro Jahr herrschen in der „wiedergeborenen Nation Amerika“, wie sich der Staat nun nennt, zwölf Stunden lang keine Gesetze. Polizei und Notfallambulanzen sind nicht erreichbar. Und die sonst so adretten Mitmenschen drehen durch, killen ihre Nachbarn oder irgendeinen Fremden auf offener Straße.

 

Wer das nötige Kleingeld besitzt, ordert sich einen Habenichts für eine rituelle Tötung nach Hause. Den Erlös erhalten die Hinterbliebenen per Banküberweisung. Überhaupt dient die bürgerliche Säuberungsaktion nicht nur dem Amüsement, sondern einem guten Zweck: Durch das legitimierte Hackfest ist die Kriminalitätsrate an den restlichen Tagen des Jahres 2023 rekordverdächtig niedrig. Arbeitslosigkeit spielt praktisch keine Rolle mehr, denn wer schnorrt, ist zum Abschuss freigegeben.

Bürgerrechtler und Lynchmobs

James DeMonaco liefert mit „The Purge: Anarchy“ einen actionlastigen, inhaltlich ernsten Nachfolger zu „The Purge – Die Säuberung“. Dieser erste Teil funktioniert noch wie ein Kammerspiel. Handlungsort war die Villa der reichen Familie Sandin, die durch einen Eindringling mit dem Horror auf der Straße konfrontiert wurde. Die Fortsetzung beschäftigt sich mit den Gewaltexzessen im Freien, schildert Hintergründe und verknüpft die düstere Zukunftsvision mit unserer Gegenwart. Im Bankenviertel von New York zum Beispiel haben betrogene Kleinanleger einen Makler gelyncht.

Der militante Bürgerrechtler Carmelo (Michael K. Williams) ruft die Benachteiligten auf, sich gegen die privilegierte Oberschicht mit Waffengewalt aufzulehnen. Ein Polizist (Frank Grillo) hat durch einen Autounfall seinen Sohn verloren und will sich an dem alkoholisierten Fahrer rächen – das Gerichtsverfahren wurde aufgrund eines Formfehlers eingestellt.

Allergikerwarnung: Kann Spuren von Dialog enthalten

DeMonacos Film ist von einem wütenden Ton geprägt. Es geht offensichtlich nicht allein um gute Unterhaltung im Actiongenre, sondern um eine Botschaft. Manche Fans mögen das anders sehen. Zum Preview-Event gab es jedenfalls Freibier für alle und T-Shirts mit dem Aufdruck „I Love Anarchy“ für die Gewinner einer Verlosung. Also erfüllteZufriedenheit den Saal, bis Dialoge die Gewaltexzesse unterbrachen. Was einem Besucher mal wieder den klassischen Unmutsruf entlockte: „Laber nicht, schieß endlich!“

The Purge: Anarchy. USA, Frankreich 2014. Regie: James DeMonaco. Mit Zach Gilford, Kiele Sanchez, Frank Grillo, Carmen Ejogo, Nicholas Gonzalez. 103 Minuten. Ab 16 Jahren.