Die Idee schwirrt in der Science Fiction schon lange umher: könnte ein Mensch sein Bewusstsein ganz in ein Datennetz auslagern? Dieser Thriller mit Johnny Depp spielt das Szenario durch – und steht sich dabei selbst im Weg.

Stuttgart - Im Jahr 2029 ist es so weit, behauptet der real existierende Euphoriker, Erfinder und Futurist Ray Kurzweil. Da sei für ihn der Punkt erreicht, an dem das Verhalten eines Computers nicht mehr von dem eines Menschen zu unterscheiden ist. Der in San Francisco forschende Kurzweil, der auch gern Tote als Avatare wiederauferstehen ließe, nennt dieses Ereignis die „Singularität“. Sein gleich um die Ecke in Berkeley arbeitender Kollege Will Caster hat dafür den Ausdruck „Transcendence“ geprägt. Anders als Ray ist Will aber eine Filmfigur, die den Weg zur Menschmaschine radikal verkürzt.

 

In Wally Pfisters Science-Fiction-Stück passiert es im Hier und Jetzt: Das von Johnny Depp gespielte Genie arbeitet an einem neuronalen Netzwerk namens Pinn, wird bei einem Symposium von technologiefeindlichen Terroristen angeschossen, kann dem Tod aber durch den Kurzschluss seines Hirns mit seinem Computerprogramm entkommen.

Zeit für einen neuen Gott

Darf es eine Nummer größer sein?

Zu diesem allerletzten Selbstversuch brauchte er allerdings die wissenschaftliche Unterstützung seiner Frau Evelyn (Rebecca Hall) und seines Freundes Max (Paul Bettany). Evelyn hat beim Symposium als Pinn-Ziel erklärt, die „Welt zu heilen“, Max war bescheidener, ihm ging es um ein Mittel gegen Alzheimer.

Und Will? Er hat auf die Anklage eines Teilnehmers – „Sie wollen einen Gott erschaffen!“ – lässig geantwortet: „Haben das Menschen nicht immer gewollt?“ Und kaum ist Wills Hirn hochgeladen, möchte er auch schon allwissend und omnipräsent werden, also rein ins Internet und sich vervielfältigen. Evelyn will den Wunsch ausführen, Max aber wird skeptisch, als Will seine elektronischen Partikel an die Börse flitzen lassen möchte. Ist das überhaupt noch Will, fragt er und schlägt vor, diesen Geist in der Maschine abzuschalten.

Bloß nicht „Terminator“ werden

Evelyn jedoch bleibt Will treu, was man als virtuelle Form der Nekrophilie bezeichnen könnte. So nimmt das Unglück seinen Lauf. Wie schon in vielen anderen Science-Fiction- und Horrorfilmen, in denen die Experimente eines verrückten Wissenschaftlers zur Weltherrschaft der Maschinen oder eines Supercomputers führen.

„Transcendence“ allerdings will sich von solchen Filmen absetzen, will Pop und Trash vermeiden und das Genrekino, wenn es schon nicht ganz zu umgehen ist, sozusagen intellektualisieren. Die Dialoge kreisen immer wieder um Moral, Verantwortung und Grenzüberschreitung, als Vorbilder soll also kein Science-Fiction-Action-Film wie „Terminator“ durchscheinen, eher schon eine melancholische Zukunftswarnung wie „Gattaca“ oder eine Planetengrübelei wie „Solaris“.

In der ersten Hälfte bewegt sich die Geschichte dann auch langsam und oft zu elegischer Musik voran und bietet statt einer Hightechausstattung fast museal wirkende Szenen. Da stehen auf Tafeln in Kreide geschriebene Formeln, da wird auf Notizblöcke gekritzelt, da lebt Will, bevor er im virtuellen Raum aufgeht, mit seiner Evelyn in einer Retro-Wohnung und hört Schallplatten.

Die Eheszenen sind im Weg

Aber es gelingt Wally Pfisters Film, anders als jenen seines Produzenten Christopher Nolan („Inception“), kein stringenter Look, und er schafft auch keine Atmosphäre, die alle Szenen durchdringt. Wenn er in der zweiten Hälfte auch noch ins Genrekino einbiegen muss, steht er sich dauernd selber im Weg.

Diese Szenen einer Ehe etwa, in denen der virtuelle Mann Fleisch werden will, seine Frau die fremden Körper um sein Hirn herum aber nicht akzeptiert! Sie stören nun den im visuellen Routine-Futur arbeitenden Action-Teil, in dem das FBI und der inzwischen mit der Antitechnologie-Gruppe kooperierende Max dem immer mächtiger werdenden Will und seinen per Nano-Teilchen aufgepimpten Hybridwesen den Stecker ziehen wollen.

Mit Google wäre das nicht passiert

Der kann ja nicht mal Karten lesen!

Als Thriller überzeugt „Transcendence“ dann noch weniger. Das Pop-und-Trash-Kino mag meist simpler sein, in seiner schnörkellosen Zuspitzung aber wirkt es stärker als diese Story, die einen großen Anspruch vor sich herträgt, ihre Genreanteile aber arrogant vernachlässigt. Wie kann etwa der gottähnliche Will das große Camp der Rebellen übersehen? Steht ihm nicht mal Google Map zur Verfügung?

Apropos Google: ein Pinn-ähnliches Projekt des Konzerns heißt Google Brain, es soll die Neuronenverbindungen des menschlichen Gehirns imitieren. „Google wird Sie besser kennen als Ihr Partner. Vielleicht sogar besser als Sie sich selbst“, sagt der unverbesserliche Ray Kurzweil. Der ist jetzt nämlich Google-Technikchef.

Transcendence. USA, Großbritannien, 2014. Regie: Wally Pfister. Mit Johnny Depp, Rebecca Hall, Paul Bettany. 120 Minuten. Ab 12 Jahren.