Fünffacher Triumph für „Toni Erdmann“. Viele politische Töne. Und ein schwer gerührter Ex-James-Bond-Darsteller. In Breslau wurden die Europäischen Filmpreise vergeben.

Breslau - Mit der Tragikomödie „Toni Erdmann“ haben die Deutschen erstmals nach zehn Jahren wieder den Europäischen Filmpreis gewonnen. Das fast dreistündige Vater-Tochter-Drama von Maren Ade räumte am Samstagabend beim 29. Europäischen Filmpreis in Breslau (Wroclaw) aber nicht nur in der Königskategorie „Bester Spielfilm“ ab. Mit fünf Nominierungen galt „Toni Erdmann“ als Favorit und machte dann auf ganzer Strecke das Rennen.

 

Das bereits beim Filmfest Cannes gefeierte, dann aber überraschend leer ausgegangene Werk siegte in allen Hauptkategorien. Ade, die am Montag ihren 40. Geburtstag feiert, konnte sich nicht nur über die Trophäe für den besten Spielfilm freuen. Ihre Hauptdarsteller Sandra Hüller und Peter Simonischek wurden als beste Schauspieler geehrt. Ade selbst nahm die Preise für die beste Regie und das beste Drehbuch entgegen.

„Ich bin sehr glücklich und geehrt“, sagte die Filmemacherin, die mit „Toni Erdmann“ im Februar ins Rennen um den Auslands-Oscar geht. Eigentlich stehe sie nicht gerne im Scheinwerferlicht, sondern lieber hinter der Kamera, hatte Ade noch vor der Gala gesagt. „Ich werde nervös, wenn ich etwas sagen muss.“

An Preisregen und Rampenlicht fand sie dann doch Gefallen. „Das ist der Teil am Filmemachen, den ich am meisten genieße“, sagte Ade, als sie den Drehbuch-Preis entgegennahm. Diesen widmete sie ihrem eigenen Vater, der sie vieles gelehrt habe - auch Humor. „Das hilft nicht nur beim Drehbuchschreiben.“

„Es ist eine schöne Belohnung“

Nach zehn Jahren Flaute kann sich damit auch Deutschland wieder über das europäische Pendant zum US-amerikanischen Oscar freuen. Zuletzt hatte Florian Henckel von Donnersmarck 2006 für sein Stasi-Drama „Das Leben der Anderen“ den Preis als bester europäischer Spielfilm bekommen.

Sandra Hüller hatte fest damit gerechnet, dass sie gegen die ebenfalls nominierte Französin Isabelle Huppert keine Chance haben würde - und freute sich dann umso mehr: „Wir haben so viel Arbeit reingesteckt. Es ist eine schöne Belohnung.“ Simonischek erwischte die Ehrung kalt - aus Aberglauben hatte er keine Danksagung vorbereitet. „Ich habe viele davon zu Hause, die ich nie gebraucht habe“, sagte er dem lachenden Publikum.

Die Statue für die Beste Komödie ging nach Schweden für „Ein Mann namens Ove“ von Hannes Holm. Den Preis für den besten Dokumentarfilm bekam der Italiener Gianfranco Rosi für „Seefeuer“. Der Film über Flüchtlinge auf Lampedusa hatte bereits bei der diesjährigen Berlinale gewonnen.

Für Romantik während der rund dreistündigen Gala sorgte Ex-James-Bond-Darsteller Pierce Brosnan. Der Ire wurde für seinen Beitrag zum Weltkino geehrt. Mit einem Liebesbekenntnis widmete er den Ehrenpreis seiner im Publikum sitzenden Frau Keely. „Ich könnte ohne Deine Liebe diese Arbeit nicht machen“, sagte Brosnan mit Tränen in den Augen. „Ich liebe dich.“ Das Paar ist seit 2001 verheiratet. Einen Ehrenpreis bekam auch der französische Drehbuchautor Jean-Claude Carrière („Cyrano von Bergerac“, „Dieses obskure Objekt der Begierde“) für sein Lebenswerk.

Posthum wurde Polens verstorbener Meisterregisseur und Akademie-Mitgründer Andrzej Wajda („Das Massaker von Katyn“, „Pan Tadeusz“) geehrt. „Wenn es einen gibt, der heute Abend schmerzlich vermisst wird, ist es Andrzej Wajda“, sagte Akademie-Präsident Wim Wenders. Der polnische Filmemacher, der bis ins hohe Alter gedreht hatte, starb im Oktober mit 90 Jahren.

Anspielungen zum politischen Rechtsruck im Gastgeberland

Europas Kino brachte Stars und Sternchen am Samstagabend in der diesjährigen europäischen Kulturhauptstadt zusammen. Deswegen machten die Gastgeber „Europa“ auch zum Motto der glamourösen Gala. Breslaus Bürgermeister Rafal Dutkiewicz warnte vor dem sich derzeit ausbreitenden Nationalismus. „Nationalismus ist wie stinkender Schweiß, der vom Körper abgewaschen werden muss“, sagte er. „Europa, nimm eine Dusche!“, appellierte er. „Sei unsere hellleuchtende Zukunft.“

Darauf stiegen auch die Preisträger ein. „Wenn Europa eine Dusche braucht, versuchen wir, Wasser zu bringen“, sagten die polnischen Gewinner des Publikumspreises, Malgorzata Szumowska und Michal Englert („Body“).

Anspielungen gab es auch zum politischen Rechtsruck im Gastgeberland. 2015 kamen in Polen die Nationalkonservativen an die Macht und setzen seitdem zahlreiche von Menschenrechtlern und Kulturschaffenden kritisierte Reformen um. „Polen ist ein Teil Europas“, sagte der polnische Gala-Moderator Maciej Stuhr. Er hoffe, dass dies morgen auch noch so sein werde. Politisch wurde es auch, als Ex-Pussy-Riot-Mitglied Marija Wladimirowna Aljochina an das Schicksal des inhaftierten ukrainischen Filmemachers Oleg Sentsov erinnerte.