Ein Stuttgarter Filmteam hat auf eigene Kosten eine Doku über ein Hospiz in Südafrika gedreht. „Es sind Bilder über unbegreifliches Elend“, sagt Team­mitglied Peter Schöllhorn vor der öffentlichen Premiere.

Stuttgart - Reisen ist tödlich für Vorurteile. Wer denkt, er weiß schon alles über ein Land, wird fern der Heimat belehrt. Ein Stuttgarter ist nun schlauer. Er weiß jetzt, was Marc Twain mit diesem „Todes-Urteil“ meinte. Zehn Tage Südafrika haben Peter Schöllhorn verändert. Treffender: Sie haben seine Perspektive auf das Wesentliche verändert – nicht ihn selbst. Schöllhorn, der sich mit den Filmproduzenten Simon Rost, Moritz Schreiner und der Fotografin Jessica Mayer nach Mandeni in den Nordosten Südafrika zu einem Filmprojekt aufgemacht hatte, war schon immer ein guter Kerl. Aber nun wirkt er beseelt. Schöllhorn ist durchdrungen, Gutes zu tun. Und er tut es.

 

Pro Tag sterben im Hospiz zwei Menschen

Die Bilder, die der Oberbeleuchter mit seiner Kamera mitten in der Aids-Hochburg der Welt, dem Zululand in Südafrika, festgehalten hat, sind nicht nur auf der digitalen Festplatte gespeichert. Sie haben sich in seinen Kopf eingebrannt. Die Kontraste zwischen der Schönheit des Landes und dem Elend ihrer Menschen. Die Extreme zwischen Brutalität und bedingungsloser Nächstenliebe. Alles an einem Ort auf den Punkt gebracht: im Care-Center von Pater Gérard – bürgerlich Gerhard Lagleder. Es ist gleichzeitig Hospiz, Waisenhaus, Kinderheim und Klinik. Es ist die letzte Zuflucht in einem Landstrich, in dem 76 Prozent aller Menschen HIV-positiv sind.

„Im Hospiz sterben pro Tag zwei Menschen. Sie kommen aus den Slums, weil sie dort in ihrem eigenen Urin ohne Hilfe vor sich hinsiechen“, erzählt Peter Schöllhorn und zeigt auf seinen Unterarm. Die Gänsehaut soll als Beweis dienen. Für seine Gefühle. Und die Wahrhaftigkeit seiner Worte.

„Es ist grausam.“

Aber am Ende doch unglaublich versöhnlich. Zumindest für die Menschen, die einen Platz im Hospiz gefunden haben. Die Dankbarkeit und der Frieden, den Schöllhorn in den Augen der Todkranken entdeckt hat, bewegen ihn tief: „Die Menschen gehen zufrieden hin. Da ist soviel Liebe.“ Zum ersten Mal würden sie das erfahren, was im Haus des Malteser-Ordens oberstes Gebot ist: Nächstenliebe und Barmherzigkeit. „Die Menschen liegen zum ersten Mal in einem saubern Bett, bekommen Schmerzmittel und regelmäßig etwas zu essen“, sagt Schöllhorn. „Aber das eigentliche Geschenk ist die Schwester, die den Sterbenden bis zu deren Ende die Hand hält.“ Diese spürbare Nähe im Todeskampf sei unschätzbar wertvoll. „Wir wollen in unserem Film nicht nur dieses Elend zeigen, sondern auch die Freude dieser helfenden Menschen“, sagt Schöllhorn.

Die Kraftquelle für all das ist Pater Lagleder. Vor knapp 25 Jahren hat er die Brotherhood of Blessed Gérard als Hilfsorganisation des Malteserordens in Mandeni gegründet. Seitdem ist nicht nur ein großes Hilfszentrum, sondern eine weltweite Gemeinschaft von Idealisten und Unterstützern entstanden. Sie alle setzen mit ihren Mitteln um, was der Pater immer predigt: „Wirksam helfen kostet Geld.“

Das Soko-Stuttgart-Team unterstützt Schöllhorn

Geld, das auch Peter Schöllhorn und seine Freunde von Artyc Film Stuttgart sammeln wollen. Zum Beispiel an diesem Freitag (19 Uhr) in den Soko-Stuttgart-Studios im Römerkastell (Naststr. 21). Dort zeigen die Stuttgarter Filmschaffenden ihren Kurzfilm von Mandeni. Sie werden berichten, aber auch Pater Gerhard zu Wort kommen lassen. Der gebürtige Regensburger bereist derzeit wieder seine alte Heimat, um Spender zu gewinnen. Allein der Unterhalt seines Carecenters kostet rund eine Million Euro pro Jahr. Der Pater wird den bewegten Bilder von Schöllhorn einen Rahmen geben. Aus erster Hand erzählen, was Aids in diesem Land anrichtet. Wie es Familien zerstört und zahllose Kinder zu Waisen macht. Und wie der Zulu-Glaube an Naturgeister teilweise Schreckliches anrichtet.

„Wenn einer stirbt, ist er mutterseelenallein. Der Aberglaube lässt sie denken, dass alleine die Nähe zu den Sterbenden Ansteckungsgefahr birgt“, erzählt Schöllhorn und kommt nahtlos zu einem noch erschütternden Erlebnis: Er beichtet von einem Kind, das so stark penetriert worden sei, das es lebensgefährliche Verletzungen davon getragen hatte. „Aids-Kranke Zulu-Männer glauben, dass dieser Akt sie heile.“

So viel Aberglauben ist schwer zu verdauen. Auch seine Freundin, die Fotografin Jessica Mayer, konnte irgendwann nicht mehr: „Nach dem fünften Besuch bei einem Sterbenden in den Slums hat sie schlapp gemacht.“ Er selbst „hat nach der Rückreise drei Wochen gebraucht, um alles zu verarbeiten“.

Nun kann Peter Schöllhorn alles einordnen. Er nimmt das Leben anders wahr. „Manche Dinge in unserer Welt erscheinen mir plötzlich unwichtig“, sagt er. Natürlich engagiert er sich weiter für Pater Gerhards Care-Center und die Kinder. Auch eine Patenschaft hat er übernommen. Der Pater hat ihm dafür neulich per SMS gedankt: „Peter, ich glaube Gott ist stolz auf dich.“