Stuttgart braucht ein Kommunales Kino, wichtige Filme gehen sonst an der Stadt vorbei. Eine Immobilie aber ist nicht in Sicht, Planungsgelder werden nicht abgerufen.

Stuttgart - Viel zu viele Filme abseits des Hollywood-Mainstreams, die für eine Minderheit jedoch interessant sind, schaffen es nicht mehr nach Stuttgart: Darüber waren sich der Kinobetreiber Peter Erasmus und die Kulturredaktion der StZ einig, als sie im Frühjahr die gemeinsame Reihe „StZ-Kinomatinee“ starteten. Die sollte wenigstens einige dieser Filme in die Stadt holen. Die Zwischenbilanz nach acht Monaten aber zeigt, dass die „StZ-Matinee“ sogar einigen der ganz großen, besonders aktuellen Filme des Jahres Obdach geben musste: „Like Father, like Son“ von Hirokazu Kore-eda, „The unknown Known“ von Errol Morris und „Der Anständige“ von Vanessa Lapa etwa. Mit anderen Worten: Stuttgarts Bedarf an einem Kommunalen Kino ist noch sehr viel größer als gedacht.

 

Dabei hätte das Projekt Kommunales Kino dieses Jahr eigentlich ein paar große Schritte vorankommen müssen. Im städtischen Doppelhaushalt 2014/2015 sind 150 000 Euro für Konzeption und Planungsstudie eines Filmhauses eingestellt. Den Abruf dieser Mittel hätte man durch den Verein Neues Kommunales Kino Stuttgart erwartet. In ihm sind 23 Institutionen vertreten, die allesamt ein eigenes gestalterisches Interesse an einem Filmhaus und Abspielmöglichkeiten in Kinosälen haben: vom Haus des Dokumentarfilms über die Merz-Akademie bis hin zur Volkshochschule.

Doch das Geld blieb bisher unangetastet. Vor einigen Jahren, als man noch unkte, dass engagierte Koki-Gründungswillige ohne die finanzielle Hilfe der Stadt auskommen müssten, hätte man das für ein unvorstellbares Szenario gehalten.

Verschwinden alternative Filmfestivals aus der Stadt?

Christian Dosch, der Leiter der Film Commission Region Stuttgart, einer der Vorstände des Vereins und kreativsten Netzwerker des Projekts, möchte das Jahr 2014 trotzdem nicht als Dämmerphase der Initiative verstanden wissen. „Wir haben uns auf die Debatten um zwei Projekte konzentriert, die beide große Möglichkeiten für ein Filmhaus bieten: auf die Villa Berg im Osten, für die wir auch ohne Inanspruchnahme von Planungsmitteln konkrete Vorschläge gemacht haben, und auf das Kunstgebäude am Schlossplatz, das nach dem Auszug des Landtags interessante Perspektiven bietet.“

Dass es beim Kunstgebäude „viele andere Ideen für die Nutzung“ gibt, fügt aber auch Dosch sofort hinzu. Von der Zuversicht, andere Villa-Berg-Planungen auszustechen, die in der ersten Jahreshälfte zu spüren war, ist auch nicht viel geblieben. Beide Filmhaus-Vorschläge gelten nicht nur im Rathaus mittlerweile als Utopien.

Man muss kein Pessimist sein, um sich Sorgen zu machen: Wird das Fehlen eines Zentrums für anspruchsvolle Filme zum Verschwinden der Szene und zur Frustration bei den Machern alternativer Kinoereignisse führen, die für ihre Festivalprojekte und sonstigen Ideen keinen Saal und keine Leinwand mehr finden? Der Mann der am genausten beantworten kann, ob es bereits ein Nachlassen solcher Nachfragen gibt, ob Projekte mangels Verbreitung nicht auf die Beine kommen, ob die Verwaltung mit unrealisierbaren Ideen überschüttet wird, ist Rüdiger Meyke, der im Kulturamt für den Bereich Kulturförderung zuständig ist.

„Wir werden nicht mit Wünschen überrannt“, sagt Meyke, „aber der Filmbereich liegt auch nicht brach. Wir bekommen immer wieder Projekte auf den Tisch, deren Verwirklichbarkeit dann ganz am passenden Ort hängt. Dieses Jahr konnten wir als Zwischennutzung den ehemaligen Koki-Saal im Planetarium anbieten, aber der steht 2015 wegen des Umbaus der ganzen Einrichtung nicht mehr zur Verfügung.“

Marc Hug sucht wieder nach nutzbaren Räumen

Soll heißen, die Anstifter und Nelly Eichhorn vom Theater am Olgaeck, die den Raum für Filmreihen und kleine Festivals genutzt haben, die sie fortführen möchten, müssen sich wieder nach etwas Neuem umsehen. Und auch Marc Hug, der ehemalige Betreiber der Filmgalerie 451, der ebenfalls nach wie vor Ideen für Filmreihen und Festivals hat, wird sich 2015 wieder auf die Suche nach nutzbaren Räumen machen müssen: Die Kulturniederlassung Südwest, in der er gerne auf längere Zeit ein Beamerkino eingerichtet hätte, wird im Lauf des Jahres schließen müssen.

Dem Eindruck, der Verein neues Kommunales Kino versteife sich auf eine Alles-oder-Nichts-Haltung – entweder ein großes Filmhaus oder gar keine Koki-Arbeit -, möchte Christian Dosch widersprechen. Es sei, meint er, eher die Stadt, die „ihr Denken sehr auf die Immobilien-Frage ausgerichtet“ habe. Rüdiger Meyke dagegen sagt Ähnliches über den Verein und seufzt: „Wir haben im Moment keine passende städtische Immobilie und wissen auch von keinem geeigneten Objekt. Auf absehbare Zeit wird es ein Koki nicht in einem fix und fertigen Filmhaus geben.“ Schwarzseher werden das für ein Patt zwischen Verein und Verwaltung halten. Optimisten könnten für 2015 das gemeinsame Interesse sehen, mehr Filme jenseits des Gängigen nach Stuttgart zu bringen.