Das Finale der Ludwigsburger Schlossfestspiele bietet große Kunst, wird aber wegen eines Bombenalarms abgebrochen – ein Ende mit Schrecken nach einem halben Abend.

Ludwigsburg - Kunst hat es immer schwer, sich in der Wirklichkeit zu behaupten. Dass die Wirklichkeit Kunst unmöglich macht, ist zum Glück selten der Fall, sorgte allerdings am Samstag für ein trauriges Ende der Ludwigsburger Schlossfestspiele. Bombenalarm, Konzertabbruch kurz nach der Pause, nach nur einem einzigen Satz von Jean Sibelius’ „Lemminkäinen-Suite“, Evakuierung des Forums am Schlosspark – ein Ende mit Schrecken nach einem nur halben Abend.

 

Der aber war groß. Eines der hochgezüchtetesten Zirkuspferde der romantischen Virtuosenliteratur, Tschaikowskys Violinkonzert, wurde unter den Händen von Daishin Kashimoto und mit der forschen, präzisen Begleitung durch das glänzend einstudierte Orchester der Schlossfestspiele nicht nur durch die Manege getrieben, sondern auf zauberhafte Weise rehabilitiert. Indem der Konzertmeister der Berliner Philharmoniker das virtuose Zierwerk des Stücks ernst nahm, indem er es dem Kern der Musik zurechnete und zu einer eigenen Herzensangelegenheit machte, gewann die Musik an Authentizität und an packender Kraft.

Die Qualität eines intensiven, klar geführten Gesprächs

Ein wenig Zeit brauchte Kashimoto im ersten Satz noch, um zu wirklich organischen Übergängen zu gelangen. Dann aber erlebte man das Konzert nicht nur als Bravourstück, sondern auch als spannenden, mit vielen feinen Details gespeisten Dialog mit einem Orchester, das die vom Chefdirigenten Pietari Inkinen vorgegebene schwungvolle Dynamisierung des Beginns tief verinnerlicht hatte. Der langsame Satz erblühte gleichsam aus leisestem Pianissimo im Solopart, Kashimoto spannte einen weiten, atmenden Bogen, und vor allem im Schlusssatz profitierte das Werk von der doppelten Tätigkeit des Geigers als Solist und Orchestermusiker: Indem dieser Phrasen an Instrumentengruppen weitergab, wurde nicht nur das Zirkuspferd (wenigstens ein wenig) zum Herdentier, sondern gewann die Darbietung die Qualität eines intensiven, klar geführten Gesprächs.