Der eritreische Landwirt Amare Desta hat immer noch Ärger mit dem deutschen Fiskus. Ohne es zu wissen gilt er dort als Steuerflüchtling. Eine anonyme Finanzspritze hilft zwar, beseitigt aber das Problem nicht.

Markgröningen - Diese Spende ist völlig unerwartet gekommen. „Sehr froh und dankbar“ sei er, dass jemand seine Steuerschulden in Deutschland für ihn übernommen habe, lässt Amare Desta ausrichten. Doch leider weiß der 85-jährige Landwirt aus dem ostafrikanischen Mini-Staat Eritrea weder, wem er den Geldsegen zu verdanken hat – noch versteht er, warum er überhaupt Ärger mit dem deutschen Fiskus – genauer gesagt: dem Finanzamt Neubrandenburg – hat.

 

Rente reicht zum Leben

Alles begann damit, dass Amare Desta nach Deutschland flüchten musste. Er war 45 Jahre alt, als äthiopische Milizen seinen Hof in Omhajer im Südwesten Eritreas zerstörten. Es verschlug den Kriegsflüchtling nach Markgröningen. Dort knüpfte er Freundschaften, die bis heute anhalten, er fand einen Job, malochte in einer Presserei in Unterriexingen. Dort machte er sich einen Namen als zuverlässiger, fleißiger Arbeiter. Vor rund elf Jahren kehrte er in die Heimat zurück. Seitdem bezieht Desta eine kleine Rente, 107,48 Euro pro Monat – als Basiseinkommen für einen Eritreer ausreichend.

Doch dann änderte die Bundesrepublik Deutschland ein Gesetz: Seit 2005 müssen sogenannte Auslandsrentner in Deutschland eine Steuererklärung abgeben. Seitdem erhält Amare Desta regelmäßig Post vom Finanzamt Neubrandenburg – dort sind 238 Mitarbeiter für den Sonderbereich „Rentenempfänger im Ausland“ zuständig. Bürgerkrieg, Verfolgung und Flucht hat Amare Desta überstanden. Eine deutsche Steuererklärung hat er jedoch noch nie verfasst.

Der Staat nimmt das anonyme Geld gerne an

Seitdem treffen sich zwei Welten in einem asymmetischen Schriftverkehr: Das Finanzamt ist darauf bedacht, dass alle Auslandsrenten korrekt versteuert werden – immerhin geht es laut einem Sprecher um insgesamt rund 100 Millionen Euro. Auf der anderen Seite sitzt Amare Desta, der die Briefe nicht richtig versteht und nicht weiß, wie er dem deutschen Steuerstaat glaubhaft machen kann, dass er außer seiner kleinen Rente und einem landwirtschaftlichen Betrieb in Areza (Südwest-Eritrea), der vor allem Tomaten und Paprika abwirft, keine Einkünfte hat. Ein Bericht unserer Zeitung hat bei Lesern eine Welle der Solidarität mit dem angeblichen Steuersünder ausgelöst. Viele zeigten sich empört und beschämt wegen des Vorgehens deutscher Behörden. Womöglich war es einer dieser Leser, der Amare Destas Steuerschulden auf einen Rutsch beglich: Immerhin 766 Euro schuldete dieser der Bundesrepublik rein rechnerisch. Der Staat fragte nicht, woher das Geld kam, sondern nahm es dankend an.

Doch die gut gemeinte, anonyme Spende löste das kuriose Steuerproblem keineswegs. Kürzlich hat eine Delegation seiner Freunde aus Markgröningen Desta wieder besucht. „Er versteht immer noch nicht, was der deutsche Staat überhaupt von ihm will“, sagt ein Freund, der anonym bleiben will. Und das Problem besteht nach wie vor: Zwar hat sich ein Steuerberater aus Ludwigsburg der Sache angenommen. Aber leider wurden seine Bemühungen, die Sache als Bagatellfall abzuhaken, durch den wohlmeinenden Spender ungewollt konterkariert. Die Behörde teilte mit, dass die Schulden inzwischen beglichen und die Sache abgeschlossen sei – allerdings nur vorläufig. Inzwischen hat Desta schon wieder Post vom Finanzamt bekommen. Er soll 150 Euro für ein weiteres, nicht korrekt veranschlagtes Steuerjahr bezahlen.