In der Stadtkasse häuft sich Monat um Monat mehr Geld an, als von der Finanzbürgermeisterin vorausberechnet. Was mit dem Segen geschehen soll, ist unzweifelhaft: Jahren der Stadtplanung sollen Jahre des Bauens folgen.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Am Donnerstag der vergangenen Woche ging der Haushaltsplan der Stadt Herrenberg für das Jahr 2017 in Druck. Am Freitag war das fast 700 Seiten dicke Zahlen- und Tabellenwerk bereits wieder überholt. Die Landesregierung hatte ihren sogenannten Haushaltserlass veröffentlicht – mit reichlich Verspätung. In dem Papier wird alljährlich die Höhe der zu erwartenden Steuereinnahmen und Zuschüsse an die Kommunen geregelt, sei es für die Kleinkindbetreuung oder für die Reparaturen an Straßen. Spätestens im August liegt der Erlass üblicherweise vor. Ohne ihn können die Kämmerer in den Kommunen nicht kalkulieren.

 

Nicht nur in Herrenberg wird deswegen eilig neu gerechnet, wenn auch mit einiger Freude. Weil die Steuereinnahmen sogar allenfalls erträumte Höhen übersteigen, ist die Stadtkasse ohnehin prall gefüllt, und die Schulden werden zum Jahresende einen historischen Tiefststand von 4,7 Millionen Euro erreichen. „Das ist phänomenal“, sagt die Finanzbürgermeisterin Gabrielle Getzeny. Hinzu kommt, dass die vom Land Baden-Württemberg vorgegebenen Zahlen zumindest in Herrenberg besser sind als erwartet. Dass der Betrag sinkt, den der Landkreis von den Kommunen fordert – die Kreisumlage – bringt voraussichtlich noch einmal gut eine halbe Million Euro zusätzlich.

Vor einem Jahr musste der Gemeinderat gleichsam Kleingeld suchen

Vor einem Jahr musste der Gemeinderat gleichsam in den Winkeln des Rathauses verlorenes Kleingeld suchen. Um jeden Euro wurde gerungen, am Ende ein Sparhaushalt beschlossen. Dieses Jahr werden die Haushaltsdebatten gänzlich anders verlaufen. Was die Stadt im Grundsatz mit dem Geldsegen zu tun gedenkt, formuliert ihr Oberbürgermeister Thomas Sprißler so: „Genug geplant, die Grundlagen sind da – jetzt wird gebaut.“ Im Rathaus lagern Stapel von Papier, das Gutachter im städtischen Auftrag beschrieben haben. Thematisch reichen sie von der Kostenschätzung für die Sanierung des Fruchtkastens, des ältesten Hauses in Herrenberg, bis zur Voraussage, wie viele Unternehmen sich ansiedeln würden, wenn Gewerbefläche vorhanden wäre. Über allem steht das „Herrenberg 2020“ getaufte Zukunftskonzept.

Die Investitionen steigen auf Rekordniveau

Allein in die Innenstadt sollen in den nächsten Jahren 50 Millionen bis 60 Millionen Euro fließen. „Das ist ein Rekordniveau“, sagt Sprißler. Zu erwartende private Investitionen kommen hinzu. Brachen sollen bebaut, Grundstücke zu Bauland umgewandelt, Unternehmen angesiedelt werden, Wohnungen für deren Mitarbeiter und andere Neu-Herrenberger entstehen. „Das sind gigantische Dimensionen“, sagt der Oberbürgermeister. Zumindest symbolisch hat ein erstes Projekt in der vergangenen Woche begonnen. Am Eingang des Seeländer-Areals ist ein Haus abgerissen worden, um dem Baustellenverkehr den Weg freizuräumen. Auf der 12 000 Quadratmeter großen Brache hinter der Stadthalle sollen 8700 Quadratmeter Verkaufs-, 2900 Quadratmeter Büro- und 2500 Quadratmeter Wohnfläche entstehen. Das Projekt steht mit zwei Millionen Euro im Haushalt. Der Bau soll nächstes Jahr beginnen.

Millionen sollen in den kommenden Jahren in die Schulen investiert werden, wenn auch zumindest teilweise erzwungenermaßen: Der Grundschule in Haslach haben Gutachter einen derart miserablen Zustand bescheinigt, dass sie sogar einsturzgefährdet war. Den vorläufigen Notmaßnahmen soll ein Neubau folgen. Verbesserungen für den Straßenverkehr gehören ebenfalls zu den großen Ausgabeposten – oder auch gegen ihn. Zum Wohle der Radfahrer sollen bis 2020 rund 1,5 Millionen Euro verbaut werden. Um alle Vorhaben bezahlen zu können, hatten die Rathausoberen in aller Vorsicht den Gemeinderat darauf vorbereitet, dass von 2018 an Schulden gemacht werden müssten. Entwickeln sich die Finanzen wie zurzeit vorausgesagt, wird dies womöglich überflüssig sein.