Die Landratsämter finanzieren sich und ihre Aufgaben über eine Umlage von den Kommunen. Im Kreis Ludwigsburg wurden seit 2012 rund 62 Millionen Euro Überschüsse angehäuft, mehr als in jedem anderen der Region. Die Frage ist: warum?

Überschüsse - Hineinspringen und wie ein Maulwurf darin herumwühlen! Muss man sich den Ludwigsburger Kreiskämmerer Albert Walter wie die Geld hortende Ente Dagobert Duck vorstellen, die täglich ein genüssliches Vollbad in ihrem prall gefüllten Geldspeicher nimmt? Nach Ansicht mehrerer Kreisräte: Ja! Aber mit einem Unterschied, wie der Oberbürgermeister von Bietigheim-Bissingen und SPD-Fraktionschef im Kreistag, Jürgen Kessing, scherzhaft ergänzt: „Dagobert Duck schwimmt im eigenen Geld. Der Kreiskämmerer in unserem.“

 

Fakt ist: wie alle anderen Landkreise lebt auch Ludwigsburg nicht von eigenen Einnahmen, sondern vom Geld anderer Leute. In diesem Fall: von der Kreisumlage, die den 39 Städten und Gemeinden im Kreis abverlangt wird. Und genau deshalb ist dieses Jahr eine im Grunde alljährlich wiederkehrende Debatte – jene über die Höhe der Kreisumlage – besonders heftig neu entbrannt. Denn laut dem jüngsten Finanzbericht des Kreiskämmerers hat der Kreis inzwischen einen Berg von Überschüssen angehäuft, die sich auf rund 62 Millionen Euro summieren.

„Champagner, bezahlt vom Geld der Kommunen“

Viel zu viel, wie vor allem die Freien Wähler kritisieren. Kein Wunder: in deren Reihen befinden sich besonders viele Bürgermeister. Es könne keine Rede davon sein, dass Kritiker Wasser in den Wein der Jahresbilanz gießen, wetterte unlängst der Vaihinger OB und Freie-Wähler-Kreisrat Gerd Maisch: „Das, was uns hier präsentiert wird, ist Champagner – bezahlt vom Geld der Städte und Gemeinden.“ Maisch war es auch, der besagten Vergleich mit Dagobert Duck zog. Sachlicher, aber im Kern nicht weniger kritisch sekundierte sein Fraktionskollege Klaus Warthon, dass „die Frage ist, wann von dieser Summe mal etwas zurückfließen wird“.

Warthons Kritik dürfte den Kreiskämmerer allein schon deshalb getroffen haben, weil der Benninger Bürgermeister als Dozent für neues Haushaltsrecht an der Verwaltungshochschule Ludwigsburg ein Fachmann ist. „Das ist Geld, das den Gemeinden fehlt“, schiebt Warthon auf Nachfrage hinterher. Die Antwort Walters, dass der Kreis zwei Prozent Mindest-Liquiditätsrate vorhalten müsse und der Berg Ende 2015 auf wohl 50 Millionen Euro schrumpfe, „haben mich nicht überzeugt“, sagt Warthon. Der Mindestbetrag liege bei maximal zwölf Millionen Euro.

„Debatte über effektivere Haushaltsplanung“

Holt sich der Kreis also zu viel von seinen Kommunen? Zunächst ist zu konstatieren, dass Walters Geldspeicher so prall gefüllt ist wie bei keinem seiner Kollegen in der Region Stuttgart. Tatsächlich frei verfügbar sind im Landratsamt des Rems-Murr-Kreises Ende 2014 lediglich rund 4,4 Millionen Euro gewesen, teilt die Pressesprecherin Marie-Christine Scholze mit. Im Kreis Göppingen liegt die Liquidität Ende 2015 laut der Sprecherin Julia Schmalenberger bei schätzungsweise 33,5 Millionen Euro. Als Ende 2013 bekannt wurde, dass der Kreis rund 20 Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet hat, sei im Kreistag gleich „eine Diskussion über eine bessere, klarere und effektivere Haushaltsplanung“ geführt worden. Der Kreis Böblingen rechnet für Ende 2015 mit einer Reserve von rund 17,5 Millionen Euro, teilt der Sprecher Dusan Minic mit.

Auch in Esslingen sei der Kontostand jeweils zum Jahresende überaus positiv, erläutert der Kreis-Sprecher Peter Keck – Ende 2014 seien netto rund 30 Millionen Euro frei verfügbar gewesen. Allerdings müsse der Landkreis alljährlich, bevor die vierte Rate der Kreisumlage eintreffe, heftig sein Konto überziehen. Die hohe Liquiditätsreserve dürfte der Debatte über die Kreisumlage in Ludwigsburg für 2016 jedenfalls eine besondere Dynamik geben.

Reserve für den Neubau

Freie Wähler, FDP und SPD haben gemeinsam eine Absenkung gefordert. Allerdings gibt der Landrat Rainer Haas zu bedenken, dass der Kreis Reserven für unvorhergesehene Investitionen im Bereich Flüchtlinge und Kliniken brauche. Zudem sei es „ein Wunsch aus der Mitte des Gremiums“, dass der zweite Erweiterungsbau des Landratsamts ohne neue Schulden finanziert werde. Und die Investitionskosten sind mit rund 25 Millionen Euro auch wirklich kein Pappenstiel . . .