Niedrige Zinsen, strengere Maßstäbe bei der Kreditvergabe, kleine und mittelständische Unternehmen haben es derzeit nicht leicht.

Frankfurt - In Sonntagsreden deutscher Politiker, egal aus welcher politischen Richtung, werden sie meistens über den grünen Klee gelobt. Der Mittelstand sei das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, heißt es dann. Und auch die meisten Ökonomen loben die breite Aufstellung der deutschen Wirtschaft, die gesunde Struktur, die unter anderem mitgeholfen hat, dass Deutschland die diversen Finanz- und Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahre vergleichsweise gut überstanden hat. Doch die mittelständischen Unternehmen sind nicht nur zufrieden, selbst wenn die Politik ihnen immer wieder Erleichterungen verspricht.

 

Unabhängig von den Entscheidungen der Berliner Regierung, etwa bei der Neuregelung der Erbschaftssteuer, leiden derzeit viele Mittelständler unter der anhaltenden Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Gepaart mit den zunehmenden Anforderungen der Bankenaufsicht an die Kreditvergabe geraten immer mehr kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unter Druck. Vor allem die stark auf den Export ausgerichteten Branchen, wie der Maschinenbau oder mittelständische Chemieunternehmen, leiden darunter, dass die Kreditinstitute selbst bei der Vergabe von kurzfristigen Krediten zurückhaltender geworden sind. Davon profitiert dann wieder das Factoringgeschäft. Das Ankaufsvolumen von offenen Forderungen der Mittelständler an ihre Kunden ist laut dem Bundesverband Factoring für den Mittelstand (BFM) um knapp ein Drittel gestiegen. Drei Viertel der Verbandsmitglieder rechnen auch weiterhin mit einer positiven Geschäftsentwicklung.

Bundesverband freier Berater sehen Entwicklung für die KMU mit Sorge

Nach einer Umfrage des Bundesverbandes freier Berater schätzen die KMU ihre Finanzierungs- und Banken-Situation zum zweiten Mal in Folge schlechter ein als im Vorjahr. „Bei neun der zehn Standardaussagen schätzen die Unternehmen ihre Finanzierungs- und Banken-Situation schlechter ein als 2015. Bereits im Vorjahr galt das für acht Aussagen. Wir sehen dies mit Blick auf die Finanzierung der Unternehmen mit Sorge“, sagt Thomas Thier, Vorsitzender der KMU-Berater.

Die Berater verweisen auch auf die unterschiedlichen Ergebnisse der Bewertung mit Blick auf die Hauptbankverbindungen der Unternehmen als einem Indikator für die Qualität der Zusammenarbeit von Kunde und Bank: „Die Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken schneiden am besten ab, 33,8 Prozent haben in der Bewertung eine gute oder sehr gute Ausgangslage.“ Bei den Sparkassen treffe das nur auf 23,4 Prozent der Unternehmen zu, bei den Geschäftsbanken sogar lediglich auf 21,2 Prozent, so der Verbandssprecher. Und die Lage wird sich aller Voraussicht nach nicht so schnell entspannen. Als erstes großes Kreditinstitut will die Postbank zum 1. November ihre Kontoführungsgebühren auch für Geschäftskunden deutlich anheben. Andere Institute sind sogar noch einen Schritt weiter gegangen und belasten Großkunden mit Negativzinsen, wenn sie größere Geldbeträge auf Konten haben. Offen darüber sprechen wollen die Kreditinstitute aber nicht.

Banken belasten Guthaben von Großkunden mit Negativzinsen

Die Anlage der Gelder ist die eine Seite der Medaille, Kredite für Investitionen die andere. Dabei sind die deutschen Mittelständler nach Einschätzung der Experten heute weitaus weniger abhängig von den Banken als früher. Die Eigenkapitalausstattung hat sich nach Beobachtungen der KfW deutlich verbessert. Der Großteil der Investitionen, etwa in die Digitalisierung, werde aus den laufenden Einnahmen finanziert, sagt Jörg Zeuner, der Chefvolkswirt der Förderbank KfW. Bankkredite spielten nur noch in vier Prozent der Fälle eine Rolle. „Die schlechtere Einschätzung der Unternehmen sehen wir vor dem Hintergrund der anhaltenden Ertragsrückgänge bei Banken und Sparkassen als sehr kritisch“, betont KMU-Berater Thier. Laut Thier werden die Kreditinstitute im Firmenkreditgeschäft künftig noch vorsichtiger und wählerischer werden müssen. Dies werde vor allem die große Zahl der Unternehmen mit mittlerer Bonität treffen.

Aber nicht nur die Niedrigzinsen der EZB machen den Mittelständler zu schaffen, sondern auch das am 8. Juni gestartete Programm der EZB zum Ankauf von Wertpapieren des Unternehmenssektors. Für mittelständische Unternehmen, die nicht kapitalmarktfähig sind, entstehe ein Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu Großunternehmen. Die Finanzierung über Schuldverschreibungen ist für 99 Prozent der KMU kein relevanter Weg. Dies zeige auch eine Anfang Juni veröffentlichte Umfrage der EZB zur Mittelstandsfinanzierung. Signifikante Auswirkungen auf die Realwirtschaft durch die Anleihekäufe der EZB erwartet der BVR nicht. Selbst in den wirtschaftlich schwächeren Ländern wie etwa Italien ist der Finanzzugang nicht mehr der wesentliche Hinderungsgrund für ausbleibende Investitionen. Wichtigere Probleme sind für die Unternehmen nach der Befragung der EZB die schwache Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, der intensive Wettbewerb und hohe Produktions- und Arbeitskosten.