Noch bleiben die Wirtschaftsbosse in Deckung, doch die Botschaft ist klar: Rösler hat bei ihnen einen schweren Stand - wegen seiner Europolitik.

Berlin - Die Wirtschaft sieht den Regierungsstreit über die Europolitik mit Sorge. Die Chefs der großen Wirtschaftsverbände wollen sich in die parteipolitische Auseinandersetzung zwar nicht einmischen, geben aber klar zu erkennen, dass sie mehr Geschlossenheit erwarten. "Europa braucht gerade von Deutschland das geschlossene Signal breiter Zustimmung für den Stabilitätskurs des Euro", erklärte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Als Hundt unlängst die Bundestagsabgeordneten zum parlamentarischen Abend lud, war seine Botschaft klar: "Ich fordere Bundestag, Koalition und Opposition auf, geschlossen dem Gesetz zur Erweiterung des europäischen Rettungsschirms zuzustimmen."

 

Die Wirtschaftsverbände vermeiden zwar direkte Kritik an einzelnen Regierungsmitgliedern, zwischen den Zeilen geben sie aber zu erkennen, für wie problematisch sie das Vorgehen des FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler halten. Zu Wochenbeginn äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes BDI, Markus Kerber, im "Deutschlandfunk". Kerbers Seitenhieb auf die Liberalen ist unverkennbar. "Es mag nicht immer den Eindruck haben, aber es beruhigt dennoch, dass zumindest die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister einen kühlen Kopf bewahren und eine Strategie zu haben scheinen." Unmissverständlich macht die Industrie klar, dass sie Angela Merkel und Wolfgang Schäuble für die entscheidenden Akteure in der Europolitik hält. Für die Gedankenspiele der Liberalen hat die Wirtschaft nichts übrig. "Alles, was rückwärtsgeht, jede Abwicklung Europas und des Euro, wäre unkontrollierbar - und aus meiner persönlichen Sicht historisch unverantwortlich", sagte BDI-Chef Hans-Peter Keitel im Interview mit der "Zeit".

Rösler erhält Rückendeckung vom DIHK

Noch bleiben die Wirtschaftsbosse zwar in der Deckung und vermeiden direkte Angriffe, doch die Botschaften sind unmissverständlich. Der Wirtschaftsminister hat bei den Unternehmensvertretern zurzeit einen schweren Stand. Für die Liberalen, die mit ihrer Wirtschaftskompetenz werben, ist das eine unerfreuliche Entwicklung. Unzufrieden ist die Wirtschaft auch mit Debatten über ein Auseinanderbrechen der Eurozone. Vor diesen Diskussionen warnt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Die CSU hatte gefordert, notfalls Griechenland aus der Eurozone auszuschließen. Der DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann sagte der StZ: "Spekulationen über Austritte und das Auseinanderbrechen der Eurozone beschwören vor allem neue Turbulenzen an den Finanzmärkten herauf." Griechenland sei in einer schwierigen Lage, sagte Driftmann. Das Land müsse Sparanstrengungen und Reformen für mehr Wachstum gleichermaßen bewältigen.

Das seien große Herausforderungen. Die von Rösler angestoßene Debatte über eine Insolvenz von Eurostaaten hält Driftmann für notwendig. Der DIHK-Präsident sprach sich dafür aus, das im Europäischen Stabilitätsmechanismus (EMS) angelegte geordnete Insolvenzverfahren für Staaten zu konkretisieren. Der EMS soll ab 2013 in Kraft treten und die Möglichkeiten für Umschuldungen enthalten. Damit erhält Rösler zumindest vom DIHK Rückendeckung.