Nach der Panik an den Finanzmärkten üben sich die Notenbanker in Schadenbegrenzung. Mit Bangen richtet sich der Blick nach Spanien.

Frankfurt - Die Notenbanken und Politiker der großen Industriestaaten weltweit stellen sich nach dem negativen Votum der britischen Bevölkerung zur Europäischen Union darauf ein, die Finanzmärkte mit allen Mitteln zu stabilisieren. Übermäßige Schwankungen und Turbulenzen bei den Wechselkursen könnten die wirtschaftliche Stabilität und die Finanzstabilität beeinträchtigen, hieß es am Freitagnachmittag in einer gemeinsamen Erklärung der Finanzminister der G7-Staaten. Sie bekräftigten, dass die Wirtschaft und der Finanzsektor Großbritanniens widerstandsfähig seien.

 

Vor allem der rasante Verfall des britischen Pfundes sorgte auf den Devisenmärkten für erhebliche Verwerfungen. Der Pfundkurs fiel zum Dollar um über elf Prozent auf das tiefste Niveau seit September 1985. Aber auch der Euro geriet unter kräftigen Druck. Der Kurs der Gemeinschaftswährung fiel um bis zu 4,1 Prozent auf ein Dreieinhalb-Monats-Tief von 1,0914 Dollar. Dies sei der Beginn vom Ende der Euro-Zone, argumentierten Händler den Kursrutsch. Mit Bangen blickt man an den Finanzmärkten auf den kommenden Sonntag, an dem in Spanien Kommunalwahlen stattfinden, bei denen ein Ruck zu nationalistischen Tendenzen erwartet wird.

Die Notenbanken versuchten, mit Stützungskäufen auf dem Devisenmarkt die eigenen Währung zu stabilisieren. Die Schweizer Nationalbank (SNB) stemmte sich gegen einen weiteren Höhenflug des Franken. Die Bank von England stellte zusätzliche Mittel zur Geldversorgung der Finanzbranche des Landes zur Verfügung. Die Europäische Zentralbank (EZB) erklärte, sie stehe bereit, Geldhäuser im Währungsraum mit ausreichend Liquidität zu versorgen – in Euro und auch in anderen Währungen. In Asien intervenierten Händlern zufolge mindestens zwei Notenbanken, um ihre Landeswährungen zu stützen.

Der Dax sackte zeitweise um zehn Prozent ab

Der Austritt der Briten aus der Europäischen Union sorgte auch an den Aktienmärkten für den stärksten Einbruch seit der Finanzkrise. Der deutsche Leitindex Dax sackte zeitweise um rund zehn Prozent ab, in Japan war der Aktienindex Nikkei fast acht Prozent in den Keller gerauscht. Im Tagesverlauf nahmen die Verluste jedoch spürbar ab. Die Folgen des Brexit für deutsche Unternehmen seien noch nicht eindeutig abschätzbar, doch sei das Gewicht des Handels mit den Briten auch für die deutsche Wirtschaft insgesamt nicht so entscheidend, hieß es. Auch das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut HWWI erwartet nach dem Brexit-Beschluss eine rasche Erholung der Aktienmärkte. „Nach den ersten panikartigen Reaktionen an den Aktien- und Devisenmärkten dürfte es schnell zu einer Stabilisierung kommen“, meinte Institutschef Henning Vöpel am Freitag. Voraussetzung hierfür sei die Art und Weise, wie die Politik in Großbritannien und in der EU nun reagiere. „Aber ohne jeden Zweifel werden die geopolitischen, weltwirtschaftlichen Verwerfungen groß sein und ernste Fragen von historischem Ausmaß aufwerfen“, zeigte sich der Wirtschaftswissenschaftler überzeugt. Was tatsächlich passiere, hänge am Ende vom Gestaltungswillen und der Verantwortung der Politik ab. Es sei an der Zeit zu entscheiden, welches Europa man wolle: Vereinigte Staaten von Europa oder ein Europa der Vaterländer.

Billionen Dollar an Börsenkapitalisierung in Luft aufgelöst

An den Aktienmärkten gerieten vor allem Finanzwerte unter Druck. Britische Geldhäuser wie Royal Bank of Scotland (RBS) oder Lloyds verloren jeweils etwa 20 Prozent. Deutsche Bank und Commerzbank büßten etwa zwölf Prozent ein. Auch an den Rohstoffmärkten gerieten die Kurse ins Wanken. Der Preis für die richtungsweisende Öl-Sorte Brent aus der Nordsee fiel um 4,6 Prozent auf 48,57 Dollar je Barrel (159 Liter). Nach Schätzung der DZ Bank haben sich durch den aktuellen Crash weltweit fünf Billionen Dollar an Börsenkapitalisierung in Luft aufgelöst. Das entspricht in etwa dem Doppelten der jährlichen Wirtschaftsleistung Großbritanniens. Gefragt waren dagegen bei Investoren vermeintlich sichere Anlagen wie Gold, Staatsanleihen oder der Schweizer Franken. Das Edelmetall verbuchte den größten Kurssprung seit 2008. Der Gold-Preis stieg um bis zu 8,2 Prozent auf ein Zwei-Jahres-Hoch von 1358,20 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Der Run auf Staatsanleihen drückte die Rendite der richtungweisenden zehnjährigen Bundesanleihe auf ein Rekordtief von minus 0,17 Prozent.