Wie kam es zur Finanzkrise der Dualen Hochschule? Ministerin Bauer (Grüne) gibt in einem internen Schreiben der DHBW-Spitze die Schuld: es seien zu viele Stellen geschaffen worden, und das Präsidium verbrauche zu viel Geld.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war ein „Wir-schaffen-das“-Brief, mit dem sich Reinhold Geilsdörfer zu Beginn dieser Woche an alle Mitarbeiter und Studierenden der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) wandte. Die jüngsten Medienberichte über die Haushaltsprobleme der DHBW, schrieb der Präsident, hätten „nicht nur intern zu Verunsicherung und Irritation geführt.“ Sie bedeuteten auch einen „Imageverlust“ bei wichtigen Zielgruppen wie Unternehmen oder Lehrbeauftragten sowie in der Öffentlichkeit.

 

Tatsächlich, bestätigte er, gebe es „an einzelnen Standorten“ finanzielle Engpässe. Diese hätten mit einer Umschichtung von Sach- zu Personalausgaben im Zusammenhang mit dem Hochschulfinanzierungsvertrag zu tun. Man arbeite aber bereits an „Anpassungsmaßnahmen“, damit die „Erfolgsgeschichte“ der DHBW weitergehe. „Gemeinsam werden wir diese Herausforderung meistern“, verblieb Geilsdörfer und wünschte nach einem bewegten Jahr ruhige Feiertage.

Große Herausforderungen – also Probleme

Über weite Passagen glich sein Schreiben jener Presseerklärung, die am vorigen Freitag nach einer Sitzung des Aufsichtsrates abgegeben worden war – nur dass der Präsident dort nicht zu Wort kam. Als Spitzen des Kontrollgremiums beschworen der Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) darin die „Fortsetzung der Erfolgsgeschichte“ des praxisnahen DHBW-Studiums. Zugleich wurde erneut die segensreiche Wirkung des Hochschulpaktes gerühmt, der es ermögliche, viele befristete Stellen in dauerhafte umzuwandeln. Trotz dieser Verbesserungen aber gebe es „aktuell große Herausforderungen“, auf die man „mit hoher Priorität“ reagiere – Formulierungen, die an den neun DHBW-Standorten im Südwesten aufhorchen ließen: So deutlich sei noch nie eingeräumt worden, dass es erhebliche Probleme gebe. Nun ist die Hochschulführung beauftragt, ein millionenschweres Sparpaket zu erarbeiten.

Vor allem in einem Punkt üben Bauer und Geilsdörfer öffentlich den Schulterschluss: der Hochschulfinanzierungsvertrag, für den die Ministerin viel Lob eingeheimst hatte, soll nicht als Ursache, sondern als Lösung der Probleme erscheinen; er bringe dauerhaft „deutliche Verbesserungen“. Anders sehen das die DHBW-internen Kritiker: Die angeblich neuen Millionen seien lediglich umgeschichtet worden, monieren sie, die seit Jahren bestehende Unterfinanzierung der stark wachsenden Hochschule habe man nur verlängert. Zudem werfen sie dem Präsidenten vor, zu viel Geld für die Zentrale in Stuttgart zu beanspruchen: Die per „Vorwegabzug“ abgezwackten Mittel fehlten an den Standorten draußen im Land.

Die Grüne Bauer zeigt sich in „großer Sorge“

Intern schlug Bauer ganz ähnliche, bemerkenswert kritische Töne an. Bereits Ende November zeigte sie sich nach StZ-Informationen in einem Schreiben an Geilsdörfer alarmiert über die Finanzsituation der DHBW: die aktuelle Diskussion samt Medienberichten und Landtagsinitiativen nehme sie „sehr ernst.“ An den Standorten hätten die Haushaltsrestriktionen „zum Teil erhebliche Unruhe ausgelöst“, die Sorgen seien mehrfach auch an das Ministerium herangetragen worden. Es erfülle sie „mit großer Sorge“, wie nun der Hochschulpakt in ein schiefes Licht gerate; dabei seien die Hochschulen doch selbst verantwortlich für die Verwendung der Mittel.

Bei der DHBW, ließ die Grüne durchblicken, sei dabei einiges schief gelaufen. Wenn es wirklich ein strukturelles Defizit gebe, dann müsse es „durch Fehlsteuerungen im Haushaltsmanagement“ verursacht sein. So habe die Hochschule wesentlich mehr Stellen neu geschaffen, als sie „finanziell verkraften“ könne. Dabei habe die Fachabteilung des Ministeriums beim Personalzuwachs noch gebremst und „dringend“ gemahnt, die nötigen Spielräume zu erhalten. Folge der Intervention: statt 100 seien zunächst nur 85 Prozent der Mittel für neue Stellen verwendet worden.

Das Präsidium soll Aufgaben streichen

Aber auch Geilsdörfers Präsidium machte Bauer für die Misere direkt verantwortlich. Die „große Zahl zentraler Vorhaben“ samt der dafür eingesetzten finanziellen und personellen Ressourcen gehe zu Lasten der dezentralen Standorte. Dort fehlten auch jene 2,4 Millionen Euro, um die der „Vorwegabzug“ 2015 erhöht worden sei. So sinnvoll die Projekte im einzelnen erschienen, alle zusammen könne sich die DHBW einfach nicht leisten, schrieb die Ministerin sinngemäß. Von der Hochschule erwarte sie nun entsprechende Vorschläge, bei deren Erarbeitung die Ministerialbeamten gerne behilflich seien.

Dort scheint die Botschaft inzwischen angekommen zu sein. Seit der Gründung der DHBW 2009 habe man neue Strukturen aufbauen müssen, sagt eine Sprecherin; dadurch seien die einstigen Berufsakademien deutlich entlastet und Synergieeffekte erzielt worden. Im nächsten Jahr aber solle der „Vorwegabzug“ reduziert werden – in welcher Höhe, bleibt offen.

Drastischer Personalabbau nötig?

Eine Zahl jedoch zeigt, wie stark beim Präsidium gespart werden soll: dort seien „45 Dauerstellen geplant“, bestätigte die Sprecherin – eine Größenordnung, die für Geilsdörfer, wie er laut „Mannheimer Morgen“ sagte, die „absolute Untergrenze“ ist. Zum Vergleich: noch vor wenigen Monaten wies eine – offenkundig nicht einmal vollständige – Liste 75 Mitarbeiter des Präsidiums aus. Es gibt also noch viel zu „schaffen“ für die DHBW.