Am Mittwoch beschließt das Kabinett den Etat 2014. Das Zahlenwerk mit 1434 Seiten liefert Grundlagen für die neue Regierung. Zum ersten Mal seit 40 Jahren sind Überschüsse absehbar. Die Politik muss sich entscheiden, was sie will.

Berlin - Noch geht es um Formalien. Wenn die Kabinettsmitglieder in der heutigen Sitzung auf ihre Papiere schauen, sticht das Wort Überschuss ins Auge. Seit 1969 hat es diese Kategorie im Bundeshaushalt nicht mehr gegeben. Jetzt taucht er bei der Haushaltsaufstellung 2014 auf: Das Kabinett verabschiedet am Mittwoch neben dem Etatplan für 2014 auch die Finanzplanung, die bis 2017 reicht. Daraus geht hervor, dass die Regierung im Jahr 2015 erstmals einen bescheidenen Überschuss von 200 Millionen Euro erwartet. Bis 2017 soll das Plus auf zehn Milliarden Euro anwachsen.

 

Nun gehört zum Kennzeichen jeder Regierung, dass die Etatzahlen immer dann gut ausfallen, wenn sie die Zukunft betreffen. Der frühere Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) wollte 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Sein Nachfolger Peer Steinbrück (SPD) peilte das Jahr 2009 als Wendepunkt an. Immer kamen irgendwelche Krisen dazwischen. Diese Gefahr besteht nach wie vor, auch wenn sich der amtierende Minister Wolfgang Schäuble (CDU) seiner Sache sicher zu sein scheint. Er selbst bringt die frohe Kunde unters Volk, dass mit dem erwarteten Geldsegen Wahlgeschenke an Familien und Rentner bezahlt werden können. Zugleich betont Schäuble, dass es nur begrenzten Spielraum gibt.

Ein hohes Defizit schreckt kaum noch jemanden

Wie wichtig diese Einschränkung ist, zeigt der Blick auf die Zahlen. Weil der Bund in diesem Jahr Flutkosten von acht Milliarden Euro vorfinanziert, steigt die Neuverschuldung im Nachtragshaushalt auf 25 Milliarden Euro. Das ist ein erschreckend hohes Defizit, auch wenn der Bund die Schuldenbremse einhält. Anders als früher scheint die höhere Nettokreditaufnahme Politik und Öffentlichkeit aber kaum zu schrecken. Erklären lässt sich dies damit, dass es sich bei den Flutkosten um eine einmalige Belastung handelt. Andererseits waren einst die Unionsparteien aufs Höchste alarmiert, als Rot-Grün 2005 ein Minus von 31 Milliarden Euro hinterließ. Acht Jahre später liegt das Defizit nur um einige Milliarden Euro niedriger.

Inzwischen hat sich immerhin die Haushaltsstruktur verbessert. Die Ausgaben des Bundes sind in den vergangenen Jahren anders als zuvor stabil geblieben. Hinzu kommt: die Steuereinnahmen steigen nach wie vor. In diesem Jahr rechnet allein der Bund mit Einnahmen von 260 Milliarden Euro. 2017 sollen es schon mehr als 300 Milliarden Euro sein. Angesichts der sprudelnden Steuerquellen ist der ausgeglichene Haushalt überfällig. Mit dem Etat 2014 will sich Schäuble dem Ziel nähern: Im nächsten Jahr soll die Neuverschuldung auf 6,4 Milliarden Euro sinken, dem niedrigsten Stand seit 40 Jahren. Faktisch kommt der Bund schon im nächsten Jahr dem Etat ohne Defizit nahe. Schließlich ist in der Neuverschuldung die Bareinzahlung von 4,3 Milliarden Euro an den dauerhaften europäischen Rettungsfonds ESM enthalten. Dabei handelt es sich um einen Vermögenstransfer, der nach dem Haushaltsrecht als Ausgabe verbucht wird.

Der neue Bundestag kann andere Schwerpunkte setzen

Mit der heutigen Entscheidung gibt die Regierung den Finanzrahmen für die kommenden Jahre vor. Der Haushalt 2014 und der Finanzplan werden zwar erst nach der Wahl vom Parlament beschlossen. Der Bundestag in neuer Zusammensetzung kann andere Schwerpunkte setzen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Finanzplanung zunächst übernommen wird.

Aus dem 1434 Seiten umfassenden Haushaltsplan geht hervor, dass sich die Politik für ausgeglichene Haushalte noch ins Zeug legen muss. Das zeigt sich an den Annahmen. Die Bundesregierung rechnet für 2014 mit einem Wachstum von 1,6 Prozent. In den Jahren 2015 bis 2017 soll das Bruttoinlandsprodukt um jeweils 1,4 Prozent jährlich steigen. Das sind optimistische Prognosen. Ein weiteres Risiko liegt in der Zinsentwicklung.

Der Spagat zwischen Geldausgeben und Sparen

Die künftige Regierung muss sich entscheiden, was sie will. In diesem Punkt versucht die Union den Spagat zwischen Geldausgeben und Sparen. Offensichtlich wird dies bei der Rente: Einerseits versprechen Merkel und Schäuble Verbesserungen bei der Mütterrente, die jährlich sieben Milliarden Euro kosten sollen. Das Geld soll der Rentenkasse entnommen werden. Gleichzeitig hält der Finanzminister aber eine Renten-Beitragssenkung bereits zum 1. Januar 2014 für realistisch. Das geht aus der Kabinettsvorlage hervor. Auf Basis der aktuellen Daten ergebe sich eine weitere Beitragssenkung, heißt es dort. Verbindliche Aussagen sollen im Herbst vorliegen, schreiben Schäubles Beamte. Das ist widersprüchlich. Vertragen sich niedrigere Rentenbeiträge mit den von der CDU/CSU geforderten höheren Leistungen bei den Mütterrenten? Die Opposition bezweifelt dies zu Recht. Der Griff in die Rentenkasse ist schon deshalb fragwürdig, weil die Rentenversicherung finanzielle Polster gegen Konjunkturschwankungen benötigt.

Die Politik hat noch keine eindeutige Antwort gefunden

Welche Unklarheiten in der Regierung bestehen, wird am Finanzplan deutlich. Während Schäuble Milliardenversprechen abgibt, geht sein eigenes Haus davon aus, dass von 2015 an Schulden zurückbezahlt werden. Die Überschüsse sollten zur Tilgung etwa des Fluthilfefonds verwendet werden, heißt es im Haushaltsentwurf. Da allein eine verbesserte Familienförderung mindestens fünf Milliarden Euro pro Jahr kosten dürfte, sind Schuldentilgung und höhere Sozialleistungen kaum in Einklang zu bringen.

Überraschenderweise hat die Politik noch keine eindeutige Antwort gefunden, was sie mit absehbaren Haushaltsüberschüssen anstellt. Erstmals seit vielen Jahrzehnten könnten sich künftigen Regierungen neue Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Nach wie vor gilt zwar das Vorsichtsprinzip, wonach Überschüsse erst erwirtschaftet sein müssen, die Frage sollte aber geklärt werden, bevor das Geld verfrühstückt wird. Reflexartig wird nach neuen Wohltaten gerufen. Die Tilgung von Schulden stellt eine andere Möglichkeit dar. Wirtschaft und Wissenschaft plädieren für neue Investitionen in Bildung, Verkehr und Energie. Damit ist eine spannende Debatte eröffnet.