In den USA zünden sich Jugendliche an, lassen sich dabei filmen und stellen das Video ins Netz. „Fire Challenge“ heißt dieser gefährliche Trend. Die Frage nach dem Warum beantwortet Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. Michael Günter.

Stuttgart - Wer früher zu einer Jugend-Clique gehören wollte, musste sich erst einmal beweisen. Zu den Mutproben zählten beispielsweise einmal die Schule schwänzen oder an einer Zigarette ziehen. Damit qualifizierte man sich für die Clique und wurde von den anderen Mitgliedern anerkannt und akzeptiert.

 

Heutzutage holen sich die Jugendlichen ihre Anerkennung und Akzeptanz nicht mehr nur von den Freunden, sondern von der ganzen Welt. Wie ihnen das gelingt ist klar: Social Media. Ein einfaches Urlaubsfoto oder Fotos mit Freunden reicht nicht aus, um genügend Anerkennung zu bekommen. Die Fotos und Videos müssen waghalsig sein, sie müssen an die Grenzen gehen und manchmal sogar darüber hinaus. „Die Tendenz geht schon dazu, dass Jugendliche immer gefährlichere Sachen machen“, sagt Kinder- und Jugendpsychiater Michael Günter.

Mit einem Video Tausende erreichen

Die Orte an denen sich die Teenies filmen und fotografieren folgen stets einem Trend. Das so genannte „roofing“ (roof = dt. Dach) bei denen zumeist Jugendliche und junge Erwachsene auf hohe Gebäude oder Türme klettern, ist aus Russland nach Deutschland gekommen. Ein weiterer Trend, der vor etwa einem Jahr groß aufkam: Zwei Mädchen stellen sich händchenhaltend auf ein Zuggleis, um ihre Freundschaft zu symbolisieren. Bei einer ähnlichen Aktion bezahlte dies ein Mädchen am Vaihinger Bahnhof mit ihrem Leben.

Die Intention dieser waghalsigen Aktionen ist klar: alles festhalten und die Werke anschließend bei Facebook oder YouTube hochladen. „Die massenmedialen Möglichkeiten stellt einen großen Anreiz für die Jugendlichen dar. Sie können mit ihren Videos nicht nur ihre Freunde erreichen, sondern tausende Menschen“, weiß Michael Günter. „Man muss sich immer neue und ausgefallenere Dinge einfallen lassen, da alte Sachen schnell langweilig werden.“

Neuer Trend: Fire Challenge

Der Ursprung der neuen Ideen liegt zumeist in den USA. Hier macht sich gerade ein neuer Trend breit. Unter dem Namen „Fire Challenge“ lassen sich dutzende Videos auf YouTube finden. Diese Herausforderung fällt wie auch das Radiergummiespiel, bei dem sich Jugendliche den Radierer über die Haut reiben bis sie einmal das Alphabet aufgesagt haben, unter die Rubrik: Schmerz-Ausdauer-Spiel.

Bei dem Spiel mit dem Feuer reiben sich die zumeist männlichen Jugendlichen ihren Körper mit einer brennenden Flüssigkeit ein und zünden sich anschließend an. Sobald Flammen zu sehen sind, wird das Feuer wieder gelöscht. Ein Freund hält mit der Handykamera voll drauf und filmt das ganze von Anfang bis Ende.

Nervenkitzel und Anerkennung als Motiv

Die erste Frage, die man sich hier stellt: Warum machen die das? Günter hat die Antwort: „Es gibt zweierlei Gründe. Zum einen haben die Jugendlichen den Nervenkitzel, dass sie sich in Gefahr begeben, aber die Gefahr beherrschen. Und zum anderen wollen sie die Anerkennung von den anderen. Sie wollen zeigen: Hey schaut mal, was für ein cooler Typ ich bin.“

Auch wenn die Situation außer Kontrolle gerät und die Flammen nicht so schnell gelöscht werden können, werfen die „Kameramänner“ ihr Handy nicht einfach weg, um ihrem brennenden Kumpel zu helfen. Nein, es wird alles festgehalten. Man hat ja schließlich nur einen Versuch, denn ein zweites Mal lässt sich bestimmt keiner freiwillig anzünden. Schon alleine, weil man danach überall Verbrennungen hat. „Als Kameramann ist man ja Teil des Ganzen, man befindet sich in einem Skript aus dem nicht ausbrechen kann. Außerdem Jugendliche in der Gruppe leichtsinniger, da sie das Risiko noch nicht so gut abschätzen können“, so Günter.

Verschieden Stufen der „Fire Challenge“

Eine der ersten „Fire Challenges“ in den sozialen Netzwerken gab es bereits 2012, als sich der YouTuber „1BlazinEagle1“ seine Brusthaare anzündete. Dieser Netzfreak war es auch, der vor gut einem Jahr die „Nuts-&-Chest-Fire-Challenge“, zu deutsch „Nüsse-und-Brust-Feuer-Herausforderung“, ins Rollen brachte. Was mit Nüssen gemeint ist, muss nicht erklärt werden. Die brennenden Hosen fügten den Feuerteufeln empfindliche Brandwunden zu. Nun ist also das Spiel mit dem Feuer neu entfacht. In den sozialen Netzwerken wird gewetteifert, wer sich an der ausgefallensten Stelle entzündet oder wer am schönsten brennt. Sogar den Hintern zünden sich manche an.

Die Wagnisbereitschaft der Teenies, sich für ein spektakuläres Foto oder Video in Gefahr zu bringen, hat durch die neuen Massenmedien ein neues Level erreicht. Dies beobachtet der Kinder- und Jugendpsychiater aber auch in anderen Gebieten. „Man darf doch nur die Zirkusaufführungen von früher und heute vergleichen. Dort sind die Stunts auch viel waghalsiger. Das hat eben mit den Massenmedien zu tun. Man schaukelt sich gegenseitig hoch. So ist es auch bei diesen Internet-Challenges.“