In der Schorndorfer Stadtkirche sind am Freitagabend ein Flamencotanz zu sehen gewesen – als ungewöhnlicher Beitrag zu einer „Nacht der Freiheit“.

Schorndorf - Wenn Flamenco ein ernstes Geschäft ist, dann ist Taranto ein sehr Ernstes. Diesen Eindruck konnten die Besucher der „Nacht der Freiheit“ am Freitagabend in der Schorndorfer Stadtkirche bekommen, die mit einem eher ungewöhnlichen Programm gestaltet worden ist. Dank Brettern, die tischartig auf den Kirchenbänken lagen, und Sitzkissen in einem Seitenraum machte die Stadtkirche eher den Eindruck eines Konzertraums, entsprechend entspannt war auch das Publikum. Den Anfang des Programms bildete ein Figurentheaterstück über Martin Luther, das Ende der Auftritt eines Saxofonisten – und in der Mitte eben jene ausdrucksstarke Flamenco-Vorführung, die eine eher schwermütige Ausstrahlung hat, aber auch Elemente der Hoffnung und des Aufbegehrens enthält.

 

Das Licht der Hoffunung

Gut ein Jahr haben die sechs Flamenco-Schülerinnen von Lela de Fuenteprado für das Stück geprobt. Die langjährige Flamenco-Lehrerin bezeichnet die sechs Frauen, die im Lebensalter zwischen den Zwanzigern und den Sechzigern sind, als ihre beste Klasse. Stark war deren Fußpercussion zu hören, das rhythmische Stampfen, dazwischen gab es viele Elemente, Drehungen und Handbewegungen, welche die Schwere in Leichtigkeit zu verwandeln schienen – und die jede der Tänzerinnen allein für sich umsetzte. Lela de Fuenteprado kennt die Herausforderungen. Sie habe, erzählt sie, den Taranto vor Jahren im Lichte eines Scheinwerfers getanzt, das von der Decke strahlte. Das sei passend, es stehe für das Licht, nach dem sich die Bergleute in ihrer Dunkelheit sehnten.

„Der Taranto stammt eigentlich aus der Gegend von Almeria in Andalusien im Südosten Spanien“, sagt Lela de Fuenteprado. In dieser Region im Südwesten Spaniens gab es früher viel Bergbau. Bis in die 1960er-Jahre, als die letzte Mine schloss, mussten Bergleute bei kargem Lohn die harte Arbeit tun, manchmal bis zu 16 Stunden täglich. Unter diesen Bedingungen entstanden besondere Klagegesänge, und damit verbunden ein spezieller Ausdruck des Flamenco, der die Trauer besonders zum Vorschein kommen lässt. „Man kann ihn wohl am besten mit dem Blues vergleichen“, sagt Lela de Fuenteprado.

Ausdruck der Zerrissenheit

Zweimal, so erinnert sich Lela de Fuenteprado, habe sie den Taranto selbst getanzt. Einmal vor gut 25 Jahren, als sie sich in einer persönlichen Krise befand und sie die Unsicherheit, wie es weitergehen würde, in Tanzschritte übersetzte. Eine innerliche Zerrissenheit findet im Taranto seine Entsprechung, denn es gibt etliche Hin- und Her-Bewegungen.

Aber auch ein Ausdruck der Trauer könne der Taranto sein, betont die Flamenco-Lehrerin, und erzählt von einem Tanz anlässlich der Trauerfeier für einen verstorbenen Freund in einer Klosterkirche im fränkischen Aschaffenburg. Auch die Nonnen, die teilnahmen, seien sehr bewegt gewesen.

In einer „Nacht der Freiheit“ sei in der Stadtkirche Platz für die unterschiedlichsten Gefühle und Stimmungen, hatte die Pfarrerin Dorothee Eisrich in ihrer Ansprache gesagt. Die Klammer zum Ort der Aufführung schloss Lela de Fuenteprado damit, dass sie Verse aus Psalmen in den Pausen der Aufführung vortrug. „Ich habe allen Mut verloren, mit meiner Kraft bin ich am Ende“, hieß es etwa in Psalm 143. „Gib mir deinen guten Geist, dass er mich führe auf sicherem Grund.“