Als Frau in der Technik, über 50, zudem Ausländerin und in Teilzeit arbeiten? Maria Rimini-Döring arbeitet bei Bosch in der zentralen Forschung.

Pavia ist das italienische Heidelberg. Im Vergleich zur Einwohnerzahl ist der Studentenanteil hoch, und die Universitäten der Städte gehören zu den ältesten Europas. Die italienische ist sogar 25 Jahre älter als ihr deutsches Pendant, sie wurde 1361 gegründet. Pavia liegt etwa 35 Kilometer südlich von Mailand. Dort hat Dr. Maria Rimini-Döring (53) Elektrotechnik studiert. Ihr Großvater war Ingenieur und ihr Vater auch. Der war Professor an der Universität Mailand. 'Deshalb ging ich zum Studium nach Pavia', sagt Rimini-Döring. Damals wollte sie der väterlichen Obhut entfliehen. Heute lebt sie in Deutschland, ist mit einem Ingenieur verheiratet, hat einen Sohn, arbeitet bei Bosch und fährt regelmäßig zu ihren Eltern nach Italien. 'Sie werden im nächsten Jahr 80, und es ist schön, für sie Zeit zu haben.' Mit ihrem Arbeitgeber hat sie dafür eine flexible Arbeitszeitgestaltung getroffen.

 

'Die Ausbildung in Italien war gut, aber anders als in Deutschland', sagt Rimini-Döring. Das Studium dort ist viel theoretischer, weil Praxis nicht vorkommt. Praxissemester oder Praktika sind nicht Teil des Studiums. Weil deshalb mehr Zeit für Theoretisches bleibt, sind italienische Ingenieurstudenten in den naturwissenschaftlichen Grundlagenfächern wie Mathematik oder Physik gründlicher ausgebildet als Deutsche. 'Würden wir aus beiden Modellen die Vorzüge herauspicken und die Nachteile weglassen, würde das die Qualität der Ingenieurausbildung erhöhen.' Ihr Studium sei mehr Physik als Ingenieurwissenschaften gewesen, mit Schwerpunkten in Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik. Als Frau war sie damals eine Exotin im Ingenieurstudium. '5 zu 100 war das Verhältnis in meinem Semester.' Heute schätzt sie den Frauenanteil in der Elektrotechnik in Italien auf 20 Prozent.

Italienische Mädchen haben häufiger Vorbilder in technischen Berufen

In Deutschland ist er nur gut halb so hoch. 'Weil in Italien mehr Frauen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik studieren, haben italienische Mädchen häufiger Vorbilder in technischen Berufen als deutsche.' Daher die höhere Frauenquote in Ingenieurstudiengängen. Sie hatte am Gymnasium in technischen Fächern oft Lehrerinnen. 1984 hat Rimini-Döring ihr Studium erfolgreich abgeschlossen. Ihre guten Leistungen belohnte der Deutsche Akademische Austauschdienst mit einem Stipendium an der Universität Stuttgart. Der Austauschdienst ist übrigens ein Kind der Universität Heidelberg. Rimini-Döring bekam aufgrund ihrer Studieninhalte in Pavia eine Promotionsstelle in Physik.

In der Dissertation beschäftigte sie sich mit dem Rauschen von Fotodioden. Die wandeln Licht in elektrischen Strom um und werden unter anderem dazu verwendet, um mit Licht übertragene Informationen zu empfangen. 1991 wurde ihr der Doktortitel in Deutschland verliehen, und sie ging als Forschungstrainee zu Bosch nach Gerlingen bei Stuttgart. Nach dem Trainee hat sie Chips für Telefonzentralen entwickelt. Als Bosch diesen Geschäftsbereich aufgab, wechselte sie in die zentrale Forschung nach Schwieberdingen, wo sie heute noch arbeitet. Anfangs hat sie integrierte Schaltungen und Sicherheitssysteme für Handys entwickelt.

Heute forscht Rimini-Döring in der Mensch-Maschine-Interaktion im Auto. Beispielsweise an einer Müdigkeitserkennung. Das System erkennt, ob das Fahrzeug geschmeidig oder ruppig bewegt wird, und mahnt zur Pause, wenn Lenk-, Gas- oder Bremsbewegungen nicht mehr harmonisch ablaufen. Dann erscheint im Display eine Kaffeetasse. Die Voraussage, was der Fahrer als Nächstes macht, etwa überholen, ist ein anderes Projekt, an dem sie arbeitet. Und sie wird demnächst Beauftragte für öffentlich geförderte Projekte. Die Rimini-Dörings haben einen Sohn. Der 18-Jährige studiert seit Sommer 2013 in den USA Mathematik. 'Als er klein war, habe ich lange in Teilzeit gearbeitet.' Zunächst 24, dann 28 Stunden. Seit der Sohn aus dem Haus ist, arbeitet sie 32 Stunden, 'damit ich weiterhin Zeit für meine Eltern haben kann. Wir gehen in Konzerte, einkaufen oder führen gute Gespräche.'

Über 50% arbeiten in Teilzeit

Etwa sechsmal im Jahr fährt sie für eine Woche in ihre Heimat. Urlaub muss sie dafür keinen nehmen. 'Ich habe zwar einen 80-Prozent-Vertrag, arbeite aber voll und nehme mir die Überstunden am Stück als mehrtägige Gleitzeit frei.' Weil ihr Bosch während ihres gesamten Berufslebens bei der Arbeitszeitgestaltung entgegengekommen ist, hält sie dem Unternehmen schon viele Jahre die Treue. Rimini-Döring ist Ausländerin, eine Frau in der Technik, über 50 und arbeitet in Teilzeit: das alles geht, wenn der Arbeitgeber will. Als sie in der zentralen Forschung anfing, war sie außer der Sekretärin die einzige Frau in der Abteilung - und wurde auch oft für die Assistentin gehalten. Heute arbeiten mehrere Forscherinnen in der Abteilung. 'Ich finde das gut für mich, und es hat auch Vorteile für Bosch: unterschiedliche Hintergründe und Erfahrungen führen zu besseren Lösungen.'

Als Mentorin steht sie jungen Ingenieurinnen, die bei Bosch anfangen, mit Rat und Tat für ein Jahr zur Seite. Ihr Mann ist auch bei Bosch in der Forschung, aber in einem anderen Bereich. 'Ich habe ihn bei unserem gemeinsamen Hobby, der klassischen Musik, kennengelernt.' Die hört sie auch auf den Fahrten Richtung Mailand. 'Bei den 80 Prozent bleibe ich, solange es meinen Eltern gutgeht.' Wenn sich daran etwas ändert, wird es wieder eine Lösung geben, ist sie überzeugt.