Fantastisch: Franui und Florian Boesch haben das Kunstlied „Alles wieder gut“ im Ludwigsburger Scala ins Heute gebracht.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Ludwigsburg - Florian Boesch, Bassbariton von Graden, wie in Ludwigsburg beim Konzert mit Franui im Scala wieder zu erleben, kann ironisch vormachen, womit sich der Liedgesang sein eigenes künstlerisches Grab schaufelt. Wenn er nämlich in dieser Art artikuliert: „Farämd bün öch eingezogen, farämd zeh ich wiederrrr aus.“ Verkünstelte vokale Stocksteifheit am Flügel, gestärktes Hemd inklusive. Nach alter Väter und oft auch, bei allem Respekt, Fischer-Dieskau-Sitte gibt es noch genug Protagonisten dieser Richtung.

 

Boesch hingegen glaubt, dass, nur zum Beispiel, Schubert und den Seinen im Umgang mit Musik eine Natürlichkeit eigen gewesen sei, die der Normalkonzertbetrieb der folgenden Jahrhunderte leider in häufig sehr seltsame rituelle Treffen umgewandelt hat. Von der Kleidung bis zum Pausengespräch haftet solchen Veranstaltungen bis heute eine Art von Zwangsjackenmentalität an.

Bewegende Momente

Im Rahmen der Schlossfestspiele nun tritt Boesch mit der Osttiroler Gruppe, oder, genauer, „Musikbanda“ Franui auf. Und hier haben sich nun wirklich zwei gefunden. Franui, die seit gut zwanzig Jahren das Wirtshaus und die Kirch’ mit dem Blick auf die europäische Kunstmusik mit genial eigenwilligen Arrangements umrunden, ohne auch nur ansatzweise provinziell zu sein, und der Sänger, der im Zweifelsfall die Wahrheit der Schönheit vorzieht, nicht umgekehrt. So hält das Programm „Alles wieder gut“ mit romantischen Liedern von Schubert bis Schumann und von Brahms bis Mahler unzählige Momente bereit, die einen da bewegen, wo der Dichter Joseph von Eichendorff das allgemeine Unbewusste vermutete: im Herzensgrund.

„Wie bald, wie bald kommt die stille Zeit“ heißt es etwa in Robert Schumanns Liederkreis op. 39, wo noch einmal der Lindenbaum seine Blüten schneien lässt, ehe Franuis verminderte Septakkorde wie feiner Eisregen nieder gehen. Prompt ist es – „Es fiel ein Reif“ (nach Heinrich Heine) – aus mit den „Blaublümelein“, und, ja: Gestorben wird eh reichlich an diesem Abend, wo sich das Glück immer wieder aufmacht („Ging heut’ morgen übers Feld“), um im Lieben, im Leiden, im Leben, im Lied und im stillen Kämmerlein zu enden (Gustav Mahlers „Wenn mein Schatz Hochzeit macht“).

Schwarz-Weiß-Projektion eines Zimmers, das verschwindet

Mit diesem stillen Kämmerlein hat es bei der Deutschlandpremiere von „Alles wieder gut“ überhaupt seine besondere Bewandtnis. Eineinviertel Stunden lang nämlich schaut der Konzertbesucher, wie durch ein Fenster auf die Schwarz-Weiß-Projektion eines Zimmers, die der Schwede Jonas Dahlberg eingerichtet hat. Lampe, Bett, Schrank. Eine Pflanze. Zunächst scheint nichts darauf hinzudeuten, dass die Zeit im Zimmer vergeht. Am Schluss jedoch sind zumindest Lampe und Bett verschwunden. Man sieht und empfindet: Kaum bewusst, wie in einem Eichendorff-Gedicht, erwacht ein Einklang zwischen den jetzt gleichgestimmten Saiten der Hörer und der Musiker, und wer noch staunen kann (über einen Sonnenuntergang oder über ein Wälderrauschen), der ist hier goldrichtig: wo die Kunst nichts anderes als ist als Natur, also ursprünglich. Leiser Nachhall eines überaus intensiven Abends: Florian Boeschs Adaption der Dido-Klage aus Henry Purcells Oper: „Remember me?“, fragen Hackbrett, Geige, Tuba und Stimme. Aber immer. Aber wie!