Die Fluchtgründe von Syrern, Irakern und den Menschen vom Balkan sind den meisten Menschen bekannt. Doch woher stammen die meisten afrikanischen Flüchtlinge in Deutschland und wie ist die Lage in ihren Heimatländern? Ein Überblick.

Stuttgart - Über die Fluchtgründe von Syrern, Irakern und den Menschen vom Balkan, welche die größte Zahl von Asylbewerbern in Deutschland stellen, ist viel bekannt. Doch wie sieht es in den Heimatländern afrikanischer Flüchtlinge aus? Ein Blick auf die vier afrikanischen Länder, aus denen die meisten Menschen nach Deutschland kommen.

 

1. Eritrea

Die meisten afrikanischen Flüchtlinge, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, stammen aus Eritrea. Im deutschen Ranking der Fluchtländer belegt das Land hinter Mazedonien Platz acht. Was geschieht in dem Staat am Roten Meer, aus dem jeden Monat 5000 Menschen flüchten?

Während die Hauptstadt Asmara als eine der schönsten Städte Afrikas gilt, zählt Eritrea zu den repressivsten Diktaturen des Kontinents. Eritreer haben daher sehr gute Chancen, Asyl zu erhalten. In Deutschland liegt die Anerkennungsquote bei 77 Prozent. Die ehemalige italienische Kolonie wurde 1993 nach einem langen Bürgerkrieg von Äthiopien unabhängig. Seither regiert Präsident Isayas Afewerki ununterbrochen. Die genaue Einschätzung der Menschenrechtssituation ist schwierig, da die Regierung kaum westliche Beobachter oder Journalisten ins Land lässt.

Bekannt ist, dass die Bevölkerung vor allem unter dem unbegrenzten Militärdienst leidet: Für einen Hungerlohn schuften Männer und Frauen jahrelang für ihren Staat – ohne Aussicht auf Entlassung. Von ihrem Sold können sie nicht leben, Deserteure werden streng bestraft. Das Regime stützt sich auf diese billigen Arbeitskräfte, Beobachter sprechen von Zwangsarbeit und einer Form der Leibeigenschaft. Von der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ wird Eritrea als das für Journalisten gefährlichste Land der Welt geführt.

2. Nigeria

Nigeria wird im Fragilitätsindex des Fund for Peace als eines der instabilsten Länder der Welt aufgelistet. Wenige Jahre nach der Unabhängigkeit 1960 kam es zum ersten Militärputsch, es folgten viele weitere. Nach dem Ende der besonders brutalen Militärdiktatur unter Sani Abacha kam es ab 1998 zu einer Demokratisierung im bevölkerungsreichsten Land Afrikas.

Während sich dieser Prozess verfestigt hat, destabilisiert seit 2010 die Gewalt der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram den mehrheitlich muslimischen Norden Nigerias. Die Gruppe verübt Anschläge auf Sicherheitskräfte, lokale Kontrahenten und die christliche Bevölkerung. Nach Angaben der Regierung fielen dem Konflikt mehr als 13 000 Menschen zum Opfer. Über eine Millionen Menschen sind vor den Kämpfen auf der Flucht, während die Gewalt auch in die nördlichen Nachbarstaaten übergreift. Das erdölreichste Land Afrikas gilt zudem als hochkorrupt.

3. Somalia

Somalia gilt als der Prototyp des sogenannten „Failed State“ – eines Landes also, in dem die Staatsgewalt vollständig zusammengebrochen ist. Beobachter bezeichnen das Land daher als „schwarzes Loch“. Nach dem Sturz des Diktators Siyad Barre 1991 gelang es über zwanzig Jahre nicht, eine Regierung in Somalia zu bilden. Clans und lokale Warlords konkurrierten erbittert um Macht und ökonomische Ressourcen. Ab 2009 gelang es der islamistischen Al-Shabaab-Miliz, Kontrolle über weite Teile Süd- und Zentralsomalias zu erlangen. Mithilfe einer Mission der afrikanischen Union wurde Al-Shabaab zurückgedrängt.

2012 wurde der neue Präsident Hassan Sheikh Mahamoud gewählt. Dieser besitzt allerdings nicht einmal Kontrolle über alle Viertel Mogadischus, geschweige denn das restliche Staatsgebiet. Al-Shabaab ist noch immer sehr aktiv und auch viele lokale Warlords widersetzen sich der Regierung. Im Herbst 2013 hielten Al-Shabaab Kämpfer die Westgate Shoppingmall in Nairobi besetzt und töteten mehr als 70 Menschen – offenbar aus Rache für die Teilnahme kenianischer Truppen am UN-Einsatz.

Große Hungersnöte fordern immer wieder zahlreiche Tote in Somalia. Bei der schweren Hungerkatastrophe zwischen 2010 und 2012 starben mehr als eine Viertelmillion Menschen. Das Fehlen von Sicherheitsstrukturen und die grassierende Armut führten zu massiver Piraterie am Horn von Afrika.

4. Gambia

Der kleinste Staat des afrikanischen Festlands – das Staatsgebiet beträgt ein Drittel der Fläche Baden-Württembergs – wird seit einem unblutigen Putsch im Jahr 1994 von Präsident Yahya Jammeh regiert. Die meisten Einnahmen stammen aus dem Erdnussanbau und dem Tourismus, der von der Atlantikküste mit ihren breiten Sandstränden profitiert. Die innenpolitische Situation wird vom Auswärtigen Amt als „angespannt ruhig“, aber „volatil” bezeichnet. Langjährige Phasen der Ruhe wurden immer wieder von erfolglosen Putschversuchen unterbrochen.

In den letzten Jahren hat Präsident Jammeh zunehmend repressive Maßnahmen eingeführt: UN-Sonderberichterstatter berichten von Folter und Inhaftierung von Oppositionellen, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten. Die EU hat deshalb alle Entwicklungshilfegelder für Gambia eingefroren.

Besonders Homosexuelle leiden unter zunehmender Verfolgung und müssen mit mehrjährigen Haftstrafen rechnen. Es gibt auch Berichte über die kurzzeitige Inhaftierung europäischer Homosexueller. Seit dem Einfrieren der Entwicklungsgelder hat Präsident Jammeh einen zunehmend antiwestlichen Ton angeschlagen und den Austritt des Landes aus dem Commonwealth.