Der starke Zugang von Flüchtlingen hat Auswirkungen auf den Bürgerservice in einigen Stadtbezirken. Um rund 3000 aufgelaufene Fälle schneller zu bearbeiten, werden vom 1. Februar bis zum 11. März vorübergehend die fünf Bürgerbüros geschlossen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Der starke Zugang von Flüchtlingen hat in den kommenden Wochen auch Auswirkungen auf den Bürgerservice in einigen Stadtbezirken. Um die Bearbeitung von rund 3000 aufgelaufenen Fällen, bei denen Asylbewerber noch nicht melderechtlich erfasst sind, effizienter zu gestalten, werden vom 1. Februar bis zum 11. März die Bürgerbüros in Degerloch, Hedelfingen, Obertürkheim, Münster und Stammheim geschlossen. Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) verteidigte die Notmaßnahme angesichts der Krisensituation als „vertretbar“. Die betroffenen Bezirksvorsteher kritisieren hingegen, dass sie von der Verwaltung nicht eingebunden worden seien, und man nicht versucht habe, das Problem mit einer Teilschließung der Bürgerbüros zu lösen.

 

Mitteilung: Büros schließen wegen „personeller Engpässe“

Es ist eine dürre Meldung, die am Montag im Pressedienst der Stadt stand, die es aber in sich hat. Wegen „personeller Engpässe“ müssten die genannten fünf Bürgerbüros sechs Wochen lang geschlossen werden. In dieser Zeit könnten die Bürger Ausweise, Reisepässe, Führerscheine oder andere Dokumente in den Bürgerbüros der jeweiligen Nachbarbezirke abholen, also in Möhringen, Ost, Bad Cannstatt oder Zuffenhausen. Und grundsätzlich biete jedes der 17 anderen Büros er Stadt „den gewünschten Service wie gewohnt“ an.

Was wie ein unspektakulärer Verwaltungsakt klingt, offenbart ein schwerwiegendes Problem in der Ordnungsbehörde. Nicht nur das Ausländeramt, auch die Bürgerbüros kämpfen mit einem eklatanten Personalmangel. Dieter Biller, der stellvertretende Amtsleiter, verweist darauf, dass die Bevölkerungszahl der Stadt innerhalb des vergangenen Jahres um rund 10 000 Personen zugenommen habe, von denen ein beträchtlicher Teil Flüchtlinge sind. Schon daraus ergebe sich erhebliche Mehrarbeit. In dieser Zahl aber noch gar nicht enthalten seien weitere rund 3000 Asylbewerber unter den derzeit rund 7300 hier registrierten Flüchtlingen, die melderechtlich überhaupt noch nicht erfasst sind.

Flüchtlinge benötigen eine Meldebestätigung

Die Landeshauptstadt ist für diese Aufgabe eigentlich gar nicht zuständig. Neben der Registrierung, zu der zum Beispiel die erkennungsdienstliche Behandlung der Flüchtlinge gehört, müssten diese Flüchtlinge eigentlich auch melderechtlich in der Landeserstaufnahmestelle in Karlsruhe erfasst werden. Nur: „Die sind hoffnungslos überlastet und mit diesen Fallzahlen überfordert“, sagt Biller. Dieses Wissen macht die Lage in Stuttgart freilich nicht einfacher. Denn die Menschen sind nun hier. Sie benötigen, weil sie künftig ihre Sozialleistungen nicht mehr per Scheck erhalten werden, zum Beispiel ein Girokonto. Sie sollen auch mit einer Familienkarte der Stadt ausgestattet werden. Dafür aber benötigen sie eine Meldebestätigung.

Entsprechend groß ist der Handlungsdruck im Ordnungsamt. Einfach abwarten, bis Karlsruhe seine Aufgabe erfüllt hat, sei nicht mehr möglich, ist Biller überzeugt. „Das stehen wir nicht durch“, sagt der Abteilungsleiter Einwohnerangelegenheiten. Nur woher das Personal nehmen? Die Ordnungsbehörde hat zwar im neuen Haushalt mehr Personal vom Gemeinderat bekommen, aber eben nicht die dafür beantragten Stellen. Und die Arbeit ist diffizil, weil die Flüchtlinge in der Regel gar keine Papiere aus ihrer Heimat vorweisen können. „Uns wird berichtet, dass die Schlepper den Leuten geraten haben, sie sollen ihre Pässe wegwerfen“, sagt der stellvertretende Ordnungsamtsleiter. Mit der Folge, dass es nun bei der Neuaufnahme der Personalien sehr auf eine genaue Prüfung ankommt und dass sich keine Fehler einschleichen. „Das macht man nicht nebenher“, da ist Dieter Biller sich sicher.

Wohnortnahe Struktur wird für kurze Zeit aufgegeben

Deshalb also die Idee, die kleinräumige, wohnortnahe Struktur der Bürgerbüros für einige Zeit aufzuheben und Schwerpunkte bei der melderechtlichen Bearbeitung von Flüchtlingsfällen zu bilden. Insgesamt ist von elf Mitarbeitern aus den vorübergehend geschlossenen Einrichtungen die Rede, die sich in den kommenden Wochen in Schwerpunktbüros mit dieser Aufgabe befassen sollen. Zu diesen gehört etwa das Bürgerbüro im Bezirk Nord, wo sich die große Unterkunft im ehemaligen Bürgerhospital befindet. „Wenn wir kein zusätzliches Personal haben, müssen wir wenigstens größere Einheiten bilden“, begründet Biller den Schritt.

„Die Zeiten sind außerordentlich“, sagt Martin Schairer, der zuständige Bürgermeister. „Wir sind im Krisenmodus.“ Für die Bürger der betroffenen Bezirke bedeute dies lediglich, dass sie längere Wege zurücklegen müssten, findet der Ordnungsbürgermeister, der Service bleibe gleich.

Bezirksvorsteher waren in Entscheidung nicht einbezogen

Das sieht man in den Bezirken anders. Peter Beier, der Bezirksvorsteher von Obertürkheim, „bedauert“ die Entscheidung genauso wie Kai Freier, sein Kollege aus Hedelfingen, und Brigitte Kunath-Scheffold in Degerloch. „Das ist ein ordentlicher Verlust für die Bürger“, sagt Beier, sechs Wochen seien nicht wenig. Alle drei kritisieren, dass sie in die Entscheidungsfindung nicht einbezogen waren. Sie hätten es erst einmal „mit dem milderen Mittel“ (Kai Freier) einer Teilschließung der Bürgerbüros an zwei oder drei Tagen pro Woche versucht. In den anderen Bürgerbüros, so die Annahme, werden die Wartezeiten nun vermutlich auch länger werden.