Das Indische Springkraut wuchert – unter anderem am Ufer des Ravenburger Naturfreibads. Claus Scheuber rupft mit sechs Flüchtlingen aus Gambia die Pflanzen aus, damit sie den See nicht vollends für sich einnehmen.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ravensburg - Morgenstunde im Ravensburger Flappachbad, eine einsame Gestalt pflügt bei 21 Grad Celsius durch das Braun des Naturweihers. Wenn das Kassenhaus öffnet und die Frühschwimmer die Handtücher auspacken, läuft sechs jungen Männern aus Gambia längst der Schweiß über die Stirnen. Hinter dem Zaun des Naturfreibades, wo kein Rasenmäher hinkommt, rupfen sie seit 7.30 Uhr hektarweise eine Pflanze aus, die der Ravensburger Flüchtlingshelfer Claus Scheuber ungnädig „schönes Biest“ nennt.

 

So geht es am besten: Meter für Meter durch den Wald, die Gummistiefel an den Füßen und in der Hand einen Stock, mit dem sich die hohlen Stängel des Indischen Springkrauts notfalls auch bodennah abschlagen lassen. Das Biest mit den so schön anzuschauenden rosafarbenen Blüten wächst vorzugsweise in Gewässernähe, und wird es dabei nicht gestört, dann schleudert es ab September seine Kapselfrüchte bis zu acht Meter weit und rückt unaufhörlich vor. Pflanzengesellschaften in der Nachbarschaft, das zeigt alle Erfahrung, haben keine Chance gegen den invasiven Neophyten. Zumal in Naturschutzgebieten braucht das Springkraut keine Motorsense und keine Chemikalie zu fürchten.

Beunruhigende Pflanze

Seit 20 Jahren beschäftige und beunruhige ihn diese Pflanze, sagt Claus Scheuber. Währenddessen war er zum Beispiel in Nigeria, um dort gebrauchte Solarsysteme aus Deutschland kostengünstig wieder flott zu machen. Jetzt, mit 58 Jahren, hat er endlich Helfer gegen das Kraut gefunden. Es sind nicht Strafgefangene in der Resozialisierung oder junge, sozial engagierte Teilzeitarbeiter, wie sich Scheuber früher einmal gedacht hat. Es sind junge Gambier wie der 28-jährige Jallow, der 23 Jahre alte Malick oder Youssuf, 32. „Es ist ein guter Job“, sagt Jallow. „Den Wald retten“, das sei allemal besser als im Asylbewerberheim Schützenstraße tatenlos auf den Ausgang des Asylverfahrens zu warten. Von dem Stundenlohn in Höhe von einem Euro, den der Landkreis Ravensburg den Biesterjägern bezahlt, wollen sie sich in banger Erwartung ihres ersten deutschen Winters warme Sachen kaufen.

Viel Zeit für diese Arbeit ist nicht mehr, schon ab der kommenden Woche schießt das Kraut seine Kapseln durch die Gehölze. Dann ist es fürs Jäten zu spät. Von Juni an könne seine kleine Truppe am wirkungsvollsten arbeiten, sagt Initiator Scheuber. Die Pflanzen, die nur ein Jahr leben, hätten dann keine Zeit mehr, noch einmal groß genug zu werden. Zudem sei es dann leicht, die Wurzeln, die nicht tief gründen, mit bloßer Hand aus der Erde zu ziehen.

Spender bezahlen Gummistiefel

Wie von allein haben sich die Gambier zusammengefunden; zweimal pro Woche sitzen sie bei Claus Scheuber im Deutschunterricht. Hier im Ravensburger Stadtwald wird das Gelernte gleich in der Praxis angewandt. Das Englische wird nur gebraucht, wenn die deutschen Vokabeln ausgehen. „Dies ist ein Außenposten des Deutschunterrichts“, flachst Scheuber.

Die Gummistiefel und Handschuhe sind von Spendern bezahlt worden, die von dem Springkrautprojekt hörten und es gut fanden. Der Arbeitskreis Asyl in Ravensburg vermittelt gerne. Auch mit dem kommunalen Netzwerk im Landkreis hat Claus Scheuber gute Erfahrungen gemacht. Es hat nicht lange gedauert in diesem Hochsommer, da wurde er von Bürgermeistern mehrerer Gemeinden gerufen, die sich ebenfalls vom Indischen Springkraut geplagt sehen. Als Gegenleistung verpflegen die Auftraggeber die Arbeiter tagsüber. Das Frühstück heute, angeliefert gegen 10 Uhr, besteht aus Chicken-Döner.

Drei bis vier Hektar pro Tag

Drei bis vier Hektar, je nach Geländebeschaffenheit, schaffen die Flüchtlinge pro Tag. In abschüssige, potenziell gefährliche Bereiche lässt Helfer Scheuber sie aber nicht hinein. Sicherheit, sagt er, sei das oberste Gebot.

Wenn das Springkraut springt und die Bekämpfer nichts weiteres tun können, wird Helfer Scheuber wieder seiner bürgerlichen Arbeit nachgehen. „Ich mache das jetzt in der Urlaubszeit. Das ist ein Ehrenamt“, sagt er. Sollte sich seine Idee im kommenden Jahr jedoch ausbreiten, womöglich so schnell und effektiv wie ein Neophyt, und sollten dann mehrere Flüchtlingsteams in einem größeren Raum aktiv werden, dann sei es wohl schon sinnvoll, über einen hauptamtlichen Leiter nachzudenken, sagt der 58-Jährige. Mal sehen, was wird. Es ist ja, um im Bild zu bleiben, schon ordentlich gesät worden.