Nur jedem zehnten Flüchtling gelingt der Wechsel in eine Ausbildung nach dem ersten Jahr. Vor allem die deutsche Sprache ist bei der Vorqualifizierung ein Problem. Aber auch der straffe Zeitplan macht den Jugendlichen Probleme.

Stuttgart - Das Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf reicht in der Regel nicht aus, um Jugendlichen ohne Deutschkenntnisse den direkten Übergang in eine Ausbildung oder an eine weiterführende Schule zu ermöglichen. Nur etwa jedem zehnten Schüler gelinge dies nach einem Schuljahr, teilte das Kultusministerium auf eine Anfrage der SPD mit. Die meisten benötigten ein weiteres Vorqualifizierungsjahr oder einen anderen berufsvorbereitenden Bildungsgang, damit sie ordentliche Sprachkenntnisse und die Ausbildungsreife erlangen. Im vergangenen Schuljahr beendeten rund 8400 junge Flüchtlinge eine Vorbereitungsklasse an beruflichen Schulen, fast 3000 von ihnen kamen allerdings erst im Lauf des Schuljahres in die Klasse.

 

In den berufsvorbereitenden Klassen sei die Stundentafel sehr flexibel – so könne bei Bedarf die Zahl der Deutschstunden erhöht und damit die Sprachförderung intensiviert werden, erklärte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Außerdem gebe es für Flüchtlinge in beruflichen Regelklassen die Möglichkeit, Förderkurse zu besuchen. Vier Stunden pro Woche erhalten sie dann zusätzlich Sprachunterricht und Lernberatung. Im laufenden Schuljahr stehen dafür bis zu 580 Kurse zur Verfügung.

Berufsschulpflicht bis 25?

In diesem Schuljahr ist die Zahl der Schüler in den Vorqualifizierungsklassen weiter gestiegen. Mitte November besuchten rund 9268 Schüler 573 Klassen, rund 3700 stehen noch auf Wartelisten. Mehr als die Hälfte von ihnen sind unter 18 und damit berufsschulpflichtig, die übrigen sind 18 oder 19 Jahre alt und könnten die Berufsschule freiwillig besuchen.

„Die Situation ist problematisch“, sagt der SPD-Abgeordnete Gerhard Kleinböck. Nötig seien mehr Klassen. Zudem müsse Baden-Württemberg die Altersgrenze für den freiwilligen Besuch einer beruflichen Schule von 20 auf mindestens 25 Jahre anheben wie Bayern. Die intensive Förderung sei notwendig, damit junge Flüchtlinge überhaupt integriert werden könnten, so der ehemalige Schulleiter.

Nachbesserungen fordert auch der Berufsschullehrerverband. Es sei ein Fehler, dass die Stundentafel gekürzt worden sei. Dadurch stehe deutlich weniger Zeit für den Unterricht zur Verfügung. Ein Problem sei mancherorts auch, genügend Praktikumsplätze für Schüler zu finden, die sechs Stunden wöchentlich die Arbeitswelt kennenlernen sollen. Dieser Einblick sei aber notwendig, um ihnen die Bandbreite der Berufe zu zeigen, sagte der Vorsitzende Herbert Huber. Viele kämen aus Ländern, in denen es nur die Wahl zwischen Studium und Hilfsarbeiterjobs gebe.

Eine Anhebung der Berufsschulpflicht für Asylbewerber und Flüchtlinge bis zum Alter von 25 Jahren sei nicht vorgesehen, heißt es hingegen im Kultusministerium. Für diejenigen, die eine berufliche Ausbildung machten, gelte die Altersgrenze ebenso wenig wie für diejenigen, die beispielsweise eine berufliche Vollzeitschule besuchen. Damit solle eine rasche Integration in die beruflichen Bildungsgänge ermöglicht und durch zusätzliche Sprachförderung der erfolgreiche Abschluss unterstützt werden. Daneben gebe es an derzeit zwölf Standorten auch Kurse für Erwachsene zwischen 21 und 35 Jahren ohne oder mit geringen Sprach- und Schreibkenntnissen.

Nicht schnell genug

Die allgemeinbildenden Klassen dürften bei der Diskussion nicht aus dem Blick geraten, fordert die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Doro Moritz. Mit 18 Unterrichtsstunden an den Grundschulen und 25 Stunden in den weiterführenden Schulen könnten Kinder und Jugendliche nicht schnell und gut genug auf den Wechsel in Regelklassen vorbereitet werden. „Sich verständigen zu können, reicht nicht. Um in den Fächern wirklich mitzukommen, brauchen die Schüler in den Vorbereitungsklassen mehr Unterricht.“ Mitte November besuchten rund 31 000 Schüler mit keinen oder geringen Deutschkenntnissen eine der 2005 Vorbereitungsklassen an einer allgemeinbildenden Schule, knapp 15 000 von ihnen an einer Grundschule. Der Bedarf an Lehrern ist nach Auskunft des Kultusministeriums weitgehend gedeckt, „allerdings gibt es nach wie vor eine Fluktuation“. Die Schulverwaltung versuche, Mängel unter anderem durch vorgezogene Einstellungen, die Einbindung von Pensionären und die Einstellung von besonders geeigneten Personen ohne reguläre Lehrerausbildung zu beheben.