Seit ein paar Tagen leben mehr als 100 Flüchtlinge in der Alfred-Wais-Halle in Birkach. Noch ist vieles provisorisch. Was sich aber auch mit der Zeit nicht ändern wird: Eine Sporthalle ist eine Sporthalle und keine Unterkunft für Menschen.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Birkach - Johannes Minek muss mal eine rauchen. Er hat sich die Zigarette gedreht, während er mit Ahmed gesprochen hat. Ahmed aus Syrien ist ein Computerfreak, und Minek braucht dringend Hilfe bei Excel. Er ist von der Hausleitung. Was sich so anhört, als gäbe es ein Haus. Es gibt eine Halle, die Alfred-Wais-Halle. Wo normalerweise die Tänzer des TSV Birkach übers Parkett wirbeln oder der Sängerbund seine Lieder schmettert, leben seit ein paar Tagen mehr als 100 Flüchtlinge. Es sind hauptsächlich Männer. Die Alfred-Wais-Halle ist eine von fünf Sporthallen im Stadtgebiet, die notgedrungen umfunktioniert worden sind.

 

Nachdem Johannes Minek an seiner Zigarette gezogen hat, zeigt er auf die Männer, die vor der Alfred-Wais-Halle sitzen. Aus einem Smartphone dudelt arabische Musik, manche rauchen, andere palavern, die meisten stehen sich die Beine in den Bauch. „Man läuft dorthin, und da sind überall Probleme“, sagt Minek. Deshalb ist er vernarrt in Lösungen. Und wenn sie noch so klein sind. Vor ein paar Tagen zum Beispiel, „da habe ich das herzlichste Dankeschön, das ich jemals bekommen habe, für Bettwäsche bekommen“. In seiner brüchigen Stimme spiegelt sich Demut. „Das sind die schönen Momente.“

Ähnlich wie bei Sisyphos

Ein anderer, dessen Arbeitsplatz nun ebenfalls die Alfred-Wais-Halle ist, ist Arash Hafezi, ein Sozialarbeiter der Caritas. Zweimal am Tag hat er Sprechstunde. Es geht dann vor allem um Termine beim Arzt oder bei der Behörde. Aber auch jenseits seiner Sprechzeiten ist Hafezi damit beschäftigt, etwas voranzubringen. Wer ihm eine Weile zugehört hat, denkt schnell, dass sich Hafezi wie Sisyphos fühlen dürfte. Löst er hier ein Problem, ploppen dort fünf neue auf. Er sagt in diesen Momenten: „Wir sind ja erst seit einer Woche hier.“ Als wolle er sich selbst beschwichtigen.

Was sich aber auch nach zwei, vier oder acht Wochen nicht ändern wird, ist die Tatsache, dass eine Sporthalle zum Sportmachen gebaut worden ist, nicht, um so vielen Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten. Hafezi erzählt, er sei vor zwölf Jahren selbst als Flüchtling aus dem Iran gekommen. Damals war vieles anders. Vor allem waren es nicht derart viele Schutzsuchende, die in die Bundesrepublik kamen.

Der Hauptraum der Halle ist eine Art Zeltstadt, nur dass die Kabinen kein Dach haben. Die Wände aus Bauzäunen und Planen sind auf die Schnelle hochgezogen worden, wobei Wände übertrieben ist. Es handelt sich eher um einen Sichtschutz. In den Wohnkabinen, die circa 13 Quadratmeter groß sind, stehen drei Stockbetten und drei Schränke. „Es gibt kein Schloss“, sagt Ahmed auf Englisch und meint die Schränke. „Es gibt hier keinerlei Privatsphäre.“

Die Duschen sind für manche ein Problem

Nicht mal unter der Dusche. Manchen mache es nichts aus, unter der Gemeinschaftsdusche zu stehen, andere hingegen hätten damit ein Problem, erzählt Johannes Minek. Er steht in dem Waschraum für die Männer, der dringend gelüftet gehört, doch es gibt kein Fenster. Sobald er ein bisschen Geld aufgetrieben hat, will Minek einen Sichtschutz für die einzelnen Duschen zimmern. Zusammen mit einem Flüchtling, der vom Fach und handwerklich geschickt sei.

Ahmed steht neben Johannes Minek. Er hat seine Jacke an, auch wenn dieser Novembertag sonnig warm ist. Es sieht aus, als sei er im Aufbruch oder nie angekommen. Bleiben will Ahmed nicht in der Alfred-Wais-Halle. Ende November habe er eine Befragung bei der Landeserstaufnahmestelle, sagt er. Der 25-jährige Flüchtling hofft, dass ihn dann auch ein Taxi abholt und zu einer anderen Unterkunft bringt.

Vor der Halle parkt ein Taxi. Zwei Flüchtlinge werden abgeholt, zwei junge Männer. Sie werden in eine andere Unterkunft verlegt. Es gibt kurz Tumult wegen ihrer Matratzen, die wollen die beiden nämlich mitnehmen. Damit sie ins Taxi passen, rollen mehrere Männer die Matratzen wie einen Wrap ein. „Teamwork“, sagt einer, als sie fertig sind. Ein paar Schritte entfernt kurbeln zwei Kinder die Stangen am Tischkicker. Sie sind ins Spiel vertieft, der Kleinere der beiden lacht unbeschwert, vergisst für den Augenblick, was seine Kinderaugen schon alles gesehen haben.

Helfen

Wer den Birkacher Flüchtlingen – in welcher Form auch immer – helfen möchte, kann einfach in die Alfred-Wais-Halle an der Grüninger Straße kommen. Die Mitarbeiter der Hausleitung und der Caritas sind in der Regel von 10 bis 19 Uhr anwesend. Am besten die Leute vom Wachdienst ansprechen.

Termine

Beim Treffen des Freundeskreises für Flüchtlinge Birkach/Plieningen morgen, 19. November, berichtet ein Caritas-Vertreter vom Alltag in der Alfred-Wais-Halle. Thema ist zudem, welche Angebote es gibt und woran es mangelt. Beginn ist um 19 Uhr im Gemeindezentrum, Grüninger Straße 25.

Am 19. November lädt die Filder-SPD zur Diskussion: „Wir alle sind gefordert – Aktuelle Entwicklungen und Perspektiven in der Flüchtlingskrise“. Beginn: 19.30 Uhr in der Alten Kelter in Vaihingen, Am Kelterberg 5. Mit dabei: Ergun Can, Landtagskandidat, und Josip Juratovic, Mitglied des Bundestags