Grenzkontrollen aufgrund der Flüchtlingskrise – diese Überlegung treibt auch die Wirtschaft um. Das Ende des freien Reise- und Warenverkehrs in Europa werde für die Unternehmen laut Daimler-Chef Dieter Zetsche richtig teuer.

Stuttgart - Die Zuspitzung der Flüchtlingskrise mit dem drohenden Ende des freien Reise- und Warenverkehrs in Europa bereitet der Wirtschaft zunehmend Sorge. Daimler-Chef Dieter Zetsche warnte, gerade der „extrem verflochtene“ Automobilsektor sei stark auf die offenen Grenzen des Schengen-Raums angewiesen: „Alle Zentrifugalkräfte, die einem starken geeinten Europa zuwiderlaufen, werden negative Auswirkungen auf unsere Branche haben“, sagte Zetsche in Brüssel.

 

Signifikanter Zeitverlust

„Noch können wir unsere Logistik aufrechterhalten“, sagte der Chef des Stuttgarter Autoherstellers im Hinblick darauf, dass bereits sieben EU-Staaten, darunter die Bundesrepublik, zumindest vorübergehend zu häufigeren Grenzkontrollen zurückgekehrt sind, „aber wir sehen ein zunehmendes Risiko.“ Alleine der Zeitverlust durch „an der Grenze wartende Lastwagen wirkt sich signifikant auf die Kosten aus, zu denen in Europa ein Auto gebaut werden kann“.

Von zehn Milliarden Euro zusätzlich sprach Martin Wansleben vom Arbeitgeberverband DIHK, falls sich die Kosten etwa durch Umstellung von Just-in-Time-Lieferung auf Lagerhaltung nur um 0,4 Prozent erhöhten. Wansleben wie Zetsche stellten sich damit unausgesprochen hinter den umstrittenen Kurs von Angela Merkel.

Auseinanderbrechen der EU

Noch drastischer forderte Anton Börner als Chef des deutschen Außenhandelsverbands die Kanzlerin zum Kurshalten auf: „Wenn sie nachgibt“, breche die EU auseinander und damit die „Basis des Wohlstands in Deutschland“ weg, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Der Mannheimer Ökonom Clemens Fuest hält die Auswirkungen massiver Grenzkontrollen dagegen für beherrschbar. „Wir haben Grenzen, da kommen Flüchtlinge an“, sagte er dem Südwestrundfunk, „und wir haben viele anderen Grenzen, da kann man die Autos durchwinken.“

Abhängig davon, dass die Flüchtlingskrise nicht auch noch ökonomische Verwerfungen mit sich bringt, erwarten Europas Autobauer dieses Jahr ein moderates Wachstum. Zetsche, der gerade den Vorsitz des Dachverbandes Acea übernommen hat, erwartet ein Plus von zwei Prozent und damit 14 Millionen verkaufte Pkws. Bereits 2015 hatte die Branche trotz VW-Skandal 9,2 Prozent mehr Autos an die Kunden gebracht als 2014. Treiber des Wachstums sind laut dem Analysten Tim Armstrong vom Unternehmen IHS Automotive die USA und in Europa Frankreich und Spanien.