Flüchtlinge vom Westbalkan haben in Deutschland kaum eine Chance mit ihrem Asylantrag. In der Schweiz ist das anders. Dort werden mehr als ein Drittel aller serbischen Asylanträge positiv beschieden. In Deutschland 0,1 Prozent.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - In Fragen der Flüchtlingspolitik hat Winfried Kretschmann parteiintern schon mächtig Prügel bezogen. Vor einem Jahr ebnete der Grüne mit seinem Ja im Bundesrat den Weg dafür, dass Serbien, Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina künftig als sichere Herkunftsländer betrachtet werden. Wer aus einem sicheren Herkunftsland kommt, dessen Asylantrag wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Darüber, ob sich die neue Regel bewährt hat, gehen die Ansichten auseinander. Gleichwohl wird bereits intensiv darüber nachgedacht, die Zahl der sicheren Herkunftsländer zu erweitern. Albanien, das Kosovo und Montenegro sollen diesen Status ebenfalls erhalten.

 

Serben beeindruckt das deutsche Asylrecht nicht

Ein Blick auf die nackten Zahlen zeigt, dass die deutsche Definition der Zustände in ihrer Heimat Serben und Mazedonier nicht davon abhält, um Asyl zu bitten. Mehr als 10 000 serbische Anträge auf Asyl sind in der ersten Jahreshälfte beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg eingegangen, im Vorjahreszeitraum, als Serbien noch kein sicheres Herkunftsland war, waren es 6278. Das ist ein Plus von 61 Prozent. Aus Mazedonien fiel der prozentuale Anstieg noch deutlicher aus, plus 66,9 Prozent.

Ein signifikanter Rückgang der Asylbewerberzahlen aus den drei Westbalkanstaaten sei „derzeit noch nicht eingetreten“, sagt Christoph Sander, der Sprecher des Bundesamtes. Allerdings zeige sich die „dämpfende Wirkung der Einstufung“ mit Blick auf andere Länder. Dort nämlich falle die Steigerungsrate noch sehr viel höher aus. Die Zahl der Erstanträge aus Albanien stieg im Halbjahresvergleich von 3847 auf 21 806. Das sind 466 Prozent. Aus dem Kosovo kamen in dieser Zeit mehr als 28 000 Anträge, ein Plus von 1400 Prozent.

Fasst die Hälfte der Anträge kommt aus dem Balkan

Fast 46 Prozent aller in Deutschland gestellten Asylanträge sind im ersten Halbjahr von Menschen aus dem Westbalkan gestellt worden. Die Anerkennungsquote war gering. 0,1 Prozent der serbischen Anträge wurden positiv beschieden, aus dem Kosovo und Mazedonien waren es 0,3 Prozent, aus Albanien 0,4. Es sind nicht zuletzt diese Zahlen, die Politiker zu der Forderung verleiten, auch anderen Staaten des Westbalkans mit dem Prädikat „sicheres Herkunftsland“ auszuzeichnen. Horst Seehofer hat das am Montag zum wiederholten Mal gefordert, der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel erklärte, dass sich seine Partei der Diskussion nicht verschließe. Marei Pelzer von der Hilfsorganisation Pro Asyl sieht das ganz anders. „Desolat“ sei die Lage für die Flüchtlinge vom Balkan, das gelte vor der Regelung über sichere Herkunftsländer ebenso wie danach.

Pelzer sieht eine „Tendenz zum Schnellverfahren“ , Menschen aus den betroffenen Ländern seien im Asylverfahren „nahezu chancenlos“. Dabei gebe es gute Gründe, anders zu verfahren. Als Beweis zitiert sie Statistiken aus europäischen Nachbarländern. In der Schweiz liege die Anerkennungsquote für Asylbewerber aus Serbien bei 37 Prozent, in Frankreich und in Belgien bekämen rund 20 Prozent der Bosnier das beantragte Asyl. Gründe dafür, Asyl zu gewähren, gäbe es zur Genüge. „Die Vorstellung, dass nur politisch Verfolgte einen Asylanspruch haben ist falsch“, sagt Marei Pelzer. Das europäische Asylrecht verfolge einen menschenrechtlichen Ansatz. Vor allem Roma seien auf dem Westbalkan oft intensiv darin verletzt. Das gelte auch für Frauen, die seitens der Polizei und den Behörden vor Ort keinen Schutz vor sexuellen Übergriffen erhalten.

Das größte Problem in einer möglichen Ausweitung der sicheren Herkunftsländer sieht Marei Pelzer jedoch in der Dauerhaftigkeit solch einer Entscheidung. Als Ghana und der Senegal in die Kategorie aufgenommen wurden, sei die dort häufig verbreitete Genitalverstümmelung bei Mädchen noch kein Asylgrund gewesen. Das habe sich zwar geändert – doch von der Liste seien die beiden afrikanischen Staaten gleichwohl nicht verschwunden.