Der Heidelberger Gemeinderat fühlt sich vom Land schlecht informiert darüber, welche Pläne es für die Unterbringung von Flüchtlingen in der Stadt hat. Zugestimmt hat er am Ende aber doch.

Heidelberg - Der Heidelberger Gemeinderat durfte bei seiner Sondersitzung diese Woche zwar nicht über die neuesten Pläne der Landesregierung zu Einrichtung einer zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge in der ehemaligen US-Wohnsiedlung Patrick-Henry-Village (PHV) abstimmen. Gleichwohl wollte die Mehrheit der Mitglieder keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass das Land – trotz aller Kritik im Detail – mit Unterstützung aus der Stadt rechnen darf.

 

„Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland will den Flüchtlingen helfen, auch in Heidelberg, das ist ein Gebot der Menschlichkeit. Etwas anderes werden Sie in diesem Gemeinderat nicht hören“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Jan Gradel. Die Stadt habe für Notquartiere „immer ein offenes Ohr gehabt“, erklärte Oberbürgermeister Eckart Würzner. „Die Menschen, die kommen, brauchen jetzt ein Bett, Ruhe und Frieden, da können wir kein ganzes Dorf leer stehen lassen“, ,sagte die Sprecherin der Grünen, Beate Deckwart-Boller. Heidelberg sei bisher bei der Integration von Flüchtlingen „immer besonders vorbildlich gewesen“, meinte sie unverkennbar stolz. „Da wollen wir jetzt nicht um Zahlen feilschen“.

Keine Zahlen

Hier allerdings zeigten sich die Kollegen der übrigen großen Fraktionen deutlich skeptischer. Immerhin hatte Landesbrandmeister Hermann Schröder im Rat zuvor angekündigt, dass künftig die Erstaufnahme von 75 Prozent aller in Baden-Württemberg ankommenden Flüchtlinge in Heidelberg erfolgen soll. „Damit übernehmen wir, als Stadt mit 150 000 Einwohnern, eine Zentralfunktion für das Land wie es München in Bayern tut“, stellte Würzner fest und warnte – „eine solche Größenordnung kann auch die Lage in Heidelberg überfordern“. Er lehne daher eine derartige Großeinrichtung für Dreiviertel aller Flüchtlinge weiterhin ab.


Die Karte zeigt, wo das Land Flüchtlinge unterbringt:


Tatsächlich ist noch immer unklar, für wie viele Menschen das Land die Erstaufnahme in Heidelberg tatsächlich durchführen will. Schröder wollte sich da ausdrücklich nicht festlegen. „Doch hier müssen wir endlich einmal eine Zahl hören, die Aufnahmestelle muss eine klare Größen-Grenze haben“, erklärte die SPD-Sprecherin Anke Schuster. Die 10 000 Flüchtlinge, die Ministerin Theresia Bauer (Grüne) genannt habe, „hat viele erschreckt“, gestand sie. Auch ihr CDU-Kollege Gradel erklärte, man erwarte vom Land konkrete Zahlenangaben zur Belegung der Einrichtung. „Da kann man eine Zeitlang beide Augen zudrücken und eine Überbelegung hinnehmen“, sagte er. „Aber die Besorgnis der Bevölkerung kommt. Da geht es um die Grenzen der Belastbarkeit und um die gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge. Daher wollen wir wissen, wie der Masterplan der Landesregierung aussieht“.

Informationsfluss stockt

Von der erwarten auch die übrigen Fraktionen künftig deutlich bessere Informationen. Was bisher gelaufen sei, „kann von einer engagierten Stadt in keinster Weise akzeptiert werden“, sagte der Oberbürgermeister. Für ein gedeihliches Miteinander brauche man deutlich mehr Offenheit und Ehrlichkeit. „Die Salamitaktik bei der Information muss aufhören. Wir brauchen eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe“, verlangte auch die Sprecherin der Grünen.

Mit der Einrichtung der neuen Zentralstelle in PHV habe sich die Landesregierung „ein wahnsinnig ehrgeiziges Ziel gesetzt“, meinte Sozialbürgermeister Joachim Gerner (SPD). Statt in vier bis sechs Wochen, wie zur Zeit, solle die Erstaufnahme in zwei bis maximal 14 Tagen über die Bühne gehen, dann sollen die Flüchtlinge dezentral verteilt werden. Doch nach wie vor gebe es für die derzeit in PHV untergebrachten 3600 Menschen nur 5,2 statt der angekündigten 36 Sozialarbeiter, die der Betreuungsschlüssel des Landes vorsehe. „Das zeigt die Schwierigkeiten bei der Umsetzung guter Absichten“, stellte er fest. Zudem müsse sichergestellt werden, dass die Ausweitung des Lagers nicht zu Einbußen bei der Sicherheit, der Gesundheitsversorgung und den Sozialstrukturen der Stadt führe.

Blockade in Mannheim

Auswirkungen der Flüchtlingsnot ganz anderer Art bekommt indessen bereits Heidelbergs Nachbarstadt Mannheim zu spüren. Dort sind, nach langen Verhandlungen, seit voriger Woche die Verträge zum Verkauf der zweiten großen geräumten US-Wohnsiedlung der Region, Benjamin-Franklin-Village unterschriftsreif. Die Stadt will sie vom Bund erwerben, die ersten Baufelder sind längst an Investoren verteilt, die dort neue Wohnungen errichten sollen. Anfang dieser Woche hat die Bundesimmobilienverwaltung dem Rathaus nun überraschend mitgeteilt, die Stadt müsse sich gedulden. Der Bund habe im Hinblick auf die Siedlung derzeit „andere Prioritäten“.