Flüchtlingen fällt es meist schwer, über ihre schlimmen Erlebnisse zu sprechen. In Heumaden hilft ihnen ein kunsttherapeutisches Projekt, ihren Gefühle anders Ausdruck zu verleihen.

Heumaden - Junge Männer sitzen an einem grauen Holzboot und zeichnen mit einem Bleistift die Geschichte ihres Lebens an die Planken. In der Hand halten sie einen Zettel, auf dem sie sich eine Skizze gemacht haben von dem was sie auf dem Boot verewigen wollen. Mit allen Details übertragen sie die individuellen Motive wie Tiere, Häuser oder singende Menschen vom Zettel auf die Außenseite des Bootes.

 

Viele sind per Schiff gekommen

Das fünf Meter lange Holzboot ist Teil eines kunsttherapeutischen Projekts für Männer in der Flüchtlingsunterkunft in Heumaden. Einige von ihnen sind bereits seit 18 Monaten in dieser Unterkunft, andere seit knapp acht Monaten. Die meisten von ihnen sind per Schiff nach Europa gekommen. Das selbst gebaute Holzboot soll nun ein Symbol sein für ihre Flucht.

Helmut Zimmermann, ein Mitglied des Arbeitskreises Flüchtlinge Heumaden-Sillenbuch, schaut den Männern aufmerksam beim Bemalen zu. „Da sind die sehr kreativ“, sagt er. Das Schiff soll bis zum Nachbarschaftsfest diesen September fertig sein. Zumindest wünscht sich das die Kunsttherapeutin Heike Jost-Ikas, die das Projekt leitet. Auch sie ist Mitglied des Arbeitskreises. „Das Boot hat zwar nichts direkt mit dem Fest zu tun, aber es wäre schön, wenn es fertig wäre. Dann haben die Menschen einfach etwas, das ihnen das Gefühl gibt, angekommen zu sein“, erklärt sie.

Das Nachbarschaftsfest gibt es bereits seit einigen Jahren. „Es ist schon mein drittes oder viertes Sommerfest“, erzählt Zimmermann. Er erklärt, dass sich diese Veranstaltung über die Jahre vergrößert habe. Mittlerweile treffen sich die Flüchtlinge aus den Unterkünften in Heumaden, Riedenberg und Sillenbuch. Es wird gespielt, getanzt und geredet.

Ein Anlass zum Reden

Sich über die Vergangenheit auszutauschen, ist für die jungen Männer nicht leicht. Sie haben Schlimmes erlebt. Auch hier setzt das kunsttherapeutische Projekt von Heike Jost-Ikas an. „Die Kunst gibt den Männern einen Anlass zum Reden. Es wird viel diskutiert, und sie lernen einiges über das Leben in Deutschland, was sich gehört und was nicht“, erklärt sie.

Als Kunsttherapeutin hat sich Jost-Ikas mit dem Projekt, das es nun seit circa einem Jahr gibt, beim Freundeskreis vorgestellt. Seitdem hilft sie in der Unterkunft ehrenamtlich mit. Für das Projekt bemalen und statten die Flüchtlinge einen Container aus, dieser dient als Lager für Baumaterialien und als Werkstatt für den Bau des Holzbootes. Außerdem haben einige Flüchtlinge unter Anleitung von Jost-Ikas Holzstelen mit Geschichten aus ihrem Leben bemalt. Diese werden später in das Schiff hineingestellt. „Die Männer können vieles, was sie nicht in Worte fassen können, in Bildern ausdrücken“, erklärt sie.

Den Container, den Jost-Ikas als Kunstwerkstatt bezeichnet, hat das Flüchtlingsheim vom Mietpark Engelhardt gestiftet bekommen. Auf Dauer wollen die Verantwortlichen es schaffen, dass sich die Werkstatt selbst finanziert. Die Materialkosten sollen also von den Einnahmen gedeckt werden. Einnahmen gibt es, wenn zum Beispiel selbst gebaute Hocker oder Kleiderhaken verkauft werden.

Der Iraker hat viel geweint

Das Holzboot ist bis jetzt grau angestrichen, und es sind nur wenige individuelle Kunstwerke darauf zu sehen. Darunter zum Beispiel schwarz-rot-goldene Streifen. „Die deutsche Flagge war das Erste, was das Boot berührt hat“, erzählt Helmut Zimmermann. Nun wollen die Flüchtlinge die Außenseite komplett bunt anmalen, und Zimmermann möchte vorne noch einen Kiel anbringen, damit das Schiff spitz zuläuft. In das Boot werden dann eben alle Holzstelen gestellt, die die jungen Männer bemalt haben. Außerdem bekommt das Boot einen Namen, über den noch abgestimmt werden muss.

Einen besonderen Erfolg ihrer Kunsttherapie konnte Heike Jost-Ikas bei einem jungen Iraker feststellen. Dieser habe sich für das Bemalen seiner Holzstele viel Zeit genommen. „Er hat immer wieder Pausen gemacht, Freunde angerufen, um zu fragen, wie er bestimmte Dinge malen soll. Er hat viel geweint“, erzählt Jost-Ikas, während auch ihr fast die Tränen kommen. „Er hat seine Geschichte auf das Holz gemalt, und so hat er verarbeitet, was er Schlimmes erlebt hat“, sagt Jost-Ikas.

Nachdem er mit dem Malen fertig war, habe man ihm die Erleichterung angesehen. „In dem Moment, in dem man anfängt zu malen, beschäftigt man sich eben mit sich und seiner Geschichte“, erklärt die Kunsttherapeutin.