Eine Abordnung aus Möhringen hat sich im Asylbewerberheim in Rohr umgesehen. Hintergrund ist die Diskussion, die über der Standortsuche für ein neues Flüchtlingsheim in Möhringen entbrannt ist.

Möhringen/Rohr - Ein freundliches Winken, der kleine Junge lächelt und sagt „Hallo“, und auch seine Eltern scheinen sich nicht daran zu stören, dass eine Gruppe fremder Menschen durch ihren Flur läuft. Die Fremden, das sind in diesem Fall die Deutschen, eine Gruppe von etwa 15 Frauen und Männern aus Möhringen, die sich in der Flüchtlingsunterkunft an der Arthur-straße in Rohr umsehen. Im Rahmen der Reihe „Treff am Turm“ der evangelischen Kirchengemeinde Möhringen und unter Leitung von Pfarrer Winfried Maier-Revoredo lassen sich die Besucher die Einrichtung in der ehemaligen Diakonissenanstalt zeigen, in der Platz für etwa 200 Menschen aus so unterschiedlichen Ländern wie Gambia oder Syrien geschaffen wurde.

 

Diskussion über der Standortsuche

Hintergrund ist die Diskussion, die über der Standortsuche für ein neues Flüchtlingsheim in Möhringen entbrannt ist. Nachdem ein Bau im Kauslerweg auf Widerstand stieß, ist dieser Standort zwar vom Tisch, es wird aber derzeit nach einer Alternative gesucht. Eine Reihe von Möhringern macht sich schon jetzt Gedanken darüber, wie den Asylbewerbern, die im Sommer nach Möhringen kommen werden, geholfen werden kann.

„Wir in Rohr sind sehr glücklich über die Unterstützung durch den Freundeskreis“, bekräftigen Uschi Dalhäusser und Andrea Holzwarth, zwei der drei Sozialarbeiter, die für die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in der Rohrer Unterkunft bei der Bewältigung der anfänglichen Schwierigkeiten im fremden Land helfen. „Natürlich gab es auch Nachbarn, die anfangs ihre Ängste geäußert haben“, berichtet Uschi Dalhäusser, „aber es waren erstaunlich viele, die ihre Hilfe angeboten haben.“

Die Sprache ist ein großes Hindernis

Gudrun Nitsch von der Rohrer Gruppierung macht die Besucher mit den Aufgaben eines solchen Gremiums vertraut. Die konkrete Unterstützung durch die Ehrenamtlichen besteht weniger darin, für materielle Verbesserungen zu sorgen, als den Kontakt nach außen zu ermöglichen. „Wir legen großen Wert darauf, dass die Bewohner rausgehen“, sagt dazu auch Uschi Dalhäusser. „Aber man muss sie mitnehmen“, ergänzt Gudrun Nitsch.

Ein großes Hindernis ist die Sprache, und so gibt es fünf bis sieben Ehrenamtliche, die in der Arthurstraße Deutsch unterrichten. Andere engagieren sich in der Hausaufgabenbetreuung. „Man muss sich dabei darauf einlassen, dass nicht alle Erwartungen erfüllt werden“, macht Gudrun Nitsch deutlich: Nicht wenige der Flüchtlinge sind traumatisiert und müssen erst zur Ruhe kommen. Das Arbeitsverbot bringt mit sich, dass sich bei den Erwachsenen ein anderer Tagesrhythmus einstellt. Manchmal kommen schlechte Nachrichten aus der Heimat und der Kopf ist nicht frei für die deutschen Vokabeln.

Der persönliche Bezug fehlt

Einmal wöchentlich treffen sich Bewohner und Helfer zu einem Nachbarschaftsforum. „Ich finde es faszinierend, wie man sich trotz der unterschiedlichen Sprachen verständigt“, sagt Andrea Holzwarth, die selbst arabisch spricht. Materiell sind ihre Schützlinge gut versorgt, viel Platz für mehr Kleidung oder Geschirr haben sie ohnehin nicht. Woran es jedoch fehlt, ist der persönliche Bezug. Und der entsteht durch gemeinsame Ausflüge, Patenschaften für die Kinder oder die Begleitung bei einem Arztbesuch. So entstehen nähere Kontakte, sogar Freundschaften. Doch auch da warnen die drei Frauen davor, die Erwartungen zu hoch zu schrauben. Die Drittstaatenregelung hat zur Folge, dass Flüchtlinge vermeiden, über ihre Erlebnisse zu sprechen. Sie wollen nicht Gefahr laufen, wieder zurückgeschickt zu werden. „Ist eine Familie aber gut integriert, kann ein Freundeskreis zum Beispiel beim Antrag auf Härtefallregelung helfen“, merkt Gudrun Nitsch an.

Die Ängste der Anwohner jedenfalls haben sich mittlerweile verflüchtigt. Zwischen Bewohnern, Betreuern und gelegentlichen Besuchern aus der Nachbarschaft ist in Rohr ein herzliches Miteinander spürbar. „Die meisten möchten uns gerne zu einem Tee einladen“, sagt Gudrun Nitsch, „es ist keinesfalls so, dass sie immer nur die Hand aufhalten.“