Die Flüchtlinge in der Plieninger Unterkunft haben neuerdings eine eigene Fahrradwerkstatt. In ihr sollen die Asylsuchenden lernen, selbst anzupacken. Die Resonanz ist bisher kleiner, als erhofft.

Plieningen - Auf den ersten Blick wirkt er wie ein gewöhnlicher kleiner Fahrradschuppen. Kaputte Räder, Werkzeuge und Ersatzteile befinden sich darin. Doch was den Schuppen, den sie hier Selbsthilfewerkstatt nennen, zu etwas Besonderem macht, ist sein Standort. Die neue Fahrradwerkstatt steht nämlich auf dem Gelände des Flüchtlingswohnheims in Plieningen. Am vergangenen Freitag wurde die Werkstatt symbolisch eröffnet und an die Bewohner übergeben.

 

Ein Gesicht für die Willkommenskultur

Hier können die Bewohner von nun an immer samstags von 10 bis 12 Uhr lernen, wie man Fahrräder repariert. Thomas Plagemann hat gemeinsam mit dem Freundeskreis Flüchtlinge das Projekt ins Rollen gebracht. Er ist es auch, der den Flüchtlingen erklärt, wie man Räder, Ventile und Schrauben richtig montiert. Die Spende von der ProCent Initiative der Daimler AG ermöglichte den Bau der Werkstatt mit einer Überdachung für insgesamt 30 Stellplätze.

Eine Spende des Paracelsus-Gymnasiums soll die Materialkosten decken. „Wir wollen die Flüchtlinge mobil machen. Statt Willkommensworte zu sprechen, erhält hier die Willkommenskultur ein Gesicht“, sagte Stefan Spatz, der Leiter des Sozialamts. Er ist von der Idee, die Flüchtlinge mit Fahrrädern auszustatten, begeistert. Dass sie zusätzlich lernen, diese selbst zu reparieren, sei nachahmenswert, so Spatz.

Fahrräder werden neuerdings verkauft

Plagemann, der seit 15 Jahren in Plieningen einen Fahrradladen betreibt, hat bisher fünf Kandidaten gefunden, die sich von ihm zu Reparateuren ausbilden lassen wollen. Mitunter gestaltet sich die Hilfe zur Selbsthilfe schwieriger als gedacht. „Manche Kinder zeigen mehr Talent und Interesse als die Erwachsenen“, stellte er fest. Sie lieben es aber auch, die Luft zischend aus den Reifen entweichen zu lassen. Da braucht er Geduld. Und nicht alle sind geübt im Fahrradfahren. Ein Rad, das er schon repariert an eine Bewohnerin verschenkt hatte, brachte sie zwei Tage später demoliert wieder zurück. Ein Unfall, berichtete die Frau.

Trotz einiger Probleme, ob bei der Verständigung oder beim Umgang mit den Fahrrädern, schätzt der 57-Jährige seine Arbeit mit den Flüchtlingen. Er passt seine Pläne einfach den Gegebenheiten an. „Was nichts kostet, ist nichts wert. Das glauben viele hier. Deshalb verkaufen wir die Fahrräder nun für maximal 20 Euro“, erklärt er.

Die Bewohner nennen Plagemann liebevoll „Baba“. Sie sind dankbar für seine Hilfe und freuen sich über die Fahrräder. „Damit sind wir freier als zuvor und können überall hinfahren“, sagt der 24-jährige Shemangus aus Eritrea. Die Plieninger unterstützen die Selbsthilfewerkstatt tatkräftig mit Spenden von alten Fahrrädern. Dafür ist in dem kleinen Fahrradschuppen aber bald kein Platz mehr. Denn der sprengt schon jetzt alle Erwartungen.